Warum sollten wir Bakterien im Labor kultivieren und vermehren? Wenn Bakterien für eine Erkrankung verantwortlich sind, müssen wir den Übeltäter kennen – um das geeignete Antibiotikum zu finden. Auch in der Forschung vermehren wir Bakterien, um sie besser zu verstehen, ihre Eigenschaften und Eigenheiten kennenzulernen. Das Ziel: neue Behandlungen entwickeln.
Doch zunächst gehen wir einen großen Schritt zurück. Schauen wir uns an, wie wir Bakterien überhaupt im Labor vermehren. Bevor wir starten, hast du Ideen?
Um Bakterien zu untersuchen, brauchen wir Millionen Bakterien
Bakterien im Labor zu vermehren, sprich zu kultivieren, ist simpel und praktisch. Denn was wir brauchen, sind viele Nachkommen desselben Ursprungsbakteriums. Sowohl in der Forschung als auch in der Diagnostik ist die Kultivierung wichtig, wenngleich sich die Fragestellungen unterscheiden.
In der Diagnostik interessiert uns, welches Bakterium eine Infektion beim Patienten verursachte. Um in wenig Material das Bakterium zu finden und zu charakterisieren, vermehren und isolieren wir Bakterien für weitere Tests.
Ähnlich geht es in der Forschung zu. Mehr über die Bakterien und ihre Eigenschaften zu erfahren, ist das Hauptaugenmerk der Forschung. Hier stellen wir uns verschiedene Fragen: Wie unterscheiden sich die Bedingungen zwischen Patienten, sodass bei einigen eher Infektionen auftreten? Hat die Ernährung und somit die Nährstoffe, die das Bakterium bekommt, eine Wirkung auf das Bakterium? Gibt es Stoffe, mit denen wir Bakterien beim Wachsen hemmen?
Diese Fragen beantworten wir, indem wir alle beteiligten Partner kennen. Schritt 1: kultivieren der Bakterien – wir brauchen viele von ihnen, um Ergebnisse zu bekommen. Schritt 2: die Experimente durchführen. Egal, bei welchem Schritt wir uns befinden, es gibt ein Gebot: ausschließlich eine Bakterienart darf vorhanden sein, außer ich entscheide mich bewusst für mehrere. In meinem Fall interessieren mich Enterokokken, also möchte für meine Experimente nur Enterokokken und nicht etwa Staphylokokken vermehren.
Wie funktioniert das nun im Labor, Bakterien zu kultivieren?
Wie wir Bakterien im Labor vermehren
Wir vermehren Bakterien auf und in Nährmedien auf zwei Arten im Labor: im Flüssigmedium oder auf der Agarplatte. Den meisten Bakterien ist es egal, ob sie im flüssigen oder auf festem Medium wachsen. Beiden Arten von Nährmedien
- sind in ihren Zutaten dank Rezepte annähernd gleichbleibend
- liefern alle wichtigen Nährstoffe, damit die Bakterien wachsen
Sowohl bei den Flüssigmedien als auch bei den Agarplatten gibt es verschiedene Zusammensetzungen, die auf die verschiedenen Bakterien und ihre Ansprüche angepasst sind. So gibt es allgemeine Nährmedien, auf denen anspruchslose Bakterien gut wachsen. Einige Bakterien brauchen zusätzliches Eisen, andere Bakterien wachsen besser, wenn Blut vorhanden ist. Und wieder andere Bakterien brauchen Vitamine und Mineralstoffe, um optimal zu wachsen.
Damit Bakterien optimal wachsen, sind zusätzlich noch die Temperatur wichtig und ob sie Sauerstoff brauchen, um sich zu vermehren. Sogenannte Inkubatoren halten die Temperatur konstant. Sie werden Schüttelinkubatoren genannt, wenn neben der Temperatur auch eine bestimmte Rundenzahl pro Minute einstellbar ist. Für Bakterien, die ausschließlich mit Sauerstoff wachsen, eine wichtige Einstellung.
Ob wir Flüssigmedien oder Agarplatten im Labor eingesetzen, hängt davon ab, was wir untersuchen wollen. Die wichtigste Frage ist zunächst, ob viel Bakterienmaterial benötigt wird oder ob die Form der Bakterien wichtig ist. Wie kultivieren wir also am besten Bakterien, wenn wir ganz viel Material benötigen?
Die Flüssigkultivierung
Bakterien können im Flüssigmedium wachsen. Wir sprechen dann von einer Flüssigkultur. In einem Glasröhrchen oder Kolben mischen wir Medium und Bakterien miteinander. Wie groß das Gefäß sein muss, hängt davon ab, wie viel Bakterienmaterial für das nachfolgende Experiment notwendig ist. Die Galerie weiter unten zeigt, wie Bakterien in Röhrchen und Kolben wachsen – je trüber, umso mehr Bakterien.
Eine einzige Bakterienkolonie ist ausreichend, um genügend Material für Untersuchungen zu haben!
Das Gefäß mit Flüssigmedium und Bakterium wird anschließend in einen Brutschrank oder einen schüttelnden Brutschrank bei 37 °C gestellt. Das Wachstum der Bakterien im Flüssigmedium erkennen wir daran, dass aus dem klaren Nährmedium im Laufe der Zeit eine trübe Suppe wird.
Vielleicht hast du dich beim Lesen gefragt, wie viele Bakterien überhaupt in solch einer trüben Flüssigkultur stecken?
Wie trüb die Bakterienlösung ist, wird mit einem Fotometer bestimmt. Anhand der Trübung kann ungefähr abgeschätzt werden, wie viele Bakterien in einem Milliliter Bakterienlösung sind. Die Einheit ist die optische Dichte, kurz OD.
Eine OD von 1 bedeutet, dass 800.000.000 Bakterienzellen in einem einzigen Milliliter Medium vorhanden sind. In einem Milliliter befinden sich also fast so viele Bakterien wie Menschen auf unserem Planeten!
Wann fitte Bakterien vorteilhaft sind
Die optische Dichte ermöglicht uns außerdem, die Wachstumsphase der Bakterienkultur zu bestimmen. Manchmal reicht es aus, dass wir viel Bakterienmaterial haben. Dann reicht es, wenn die Kultur über Nacht wächst. Am nächsten Morgen nutze ich die Flüssigkultur, die enorm viele Bakterien enthält. In dieser Flüssigkultur sind gleichermaßen fitte und abgestorbene Bakterien.
Wachstumsphasen der Bakterien
Bakterien wachsen in vier unterschiedlichen Phasen:
Anlaufphase, exponentielle Phase, stationäre Phase und Absterbephase.
Zunächst müssen sie sich an die neuen Bedingungen in der Anlaufphase anpassen. Ist das geschafft, vermehren sie sich in der exponentiellen Phase nahezu ungebremst. Verbrauchte Nährstoffe zwingen die Bakterien, sich langsamer zu teilen. Erste Bakterien sterben in dieser stationären Phase ab. Je länger die Kultur steht, umso mehr Bakterien sterben, die sogenannte Absterbephase ist erreicht.
Was es mit den einzelnen Wachstumsphasen auf sich hat, erfährst du in meinem Blogbeitrag „Aus 1 werden Millionen: das Bakterienwachstum„.
Es gibt aber auch Experimente, bei denen fitte Bakterien wichtig sind. Um das zu erreichen, wachsen die Bakterien in einer frischen Flüssigkultur etwa zwei bis sechs Stunden. Wie lang es dauert, bis sich die Bakterien regelmäßig und munter teilen, hängt vom jeweiligen Bakterium ab. E. coli beispielsweise teilt sich etwa alle 30 Minuten, sodass wir bereits nach zwei Stunden eine leicht trübe Bakterienlösung mit fitten Bakterien haben. Bei anderen Bakterien, die sich langsamer teilen, können wir erst nach 6 Stunden weiterarbeiten.
Mit der Kultur weiterarbeiten heißt, dass diese aufgeteilt oder verdünnt wird. Das kommt ganz darauf an, welche Untersuchung gewünscht ist. Bei vielen Experimenten ist es wichtig, dass das Experiment in jeder Wiederholung mit derselben OD durchgeführt wird. So erreichen wir, dass Experimente verschiedener Tage untereinander vergleichbarer werden.
Gleiche Bedingungen ermöglichen wiederholbare Ergebnisse
Es mag simpel klingen, Bakterien in flüssigen Nährmedien zu kultivieren. Aber gerade in der Forschung ist es wichtig, dass wir uns an gewisse Regeln für unsere Experimente halten. Dazu zählt, dass
- die Nährmedien für dieselben Experimente gleich zusammengesetzt sind
- gleiche Kultivierungsbedingungen: Temperatur, Dauer der Kultivierung, schütteln oder nicht
Gleiche Bedingungen, gleiche Wachstumsphase. Auf diese Art sind wir unabhängig davon, wann wir das Experiment durchführen. Die Ergebnisse werden wiederholbar und zuverlässig, da die Bakterien Nährstoffe gleich verstoffwechseln.
Steril arbeiten ist unerlässlich
Bei Flüssigkulturen gibt es aber auch Probleme. Die Trübung zeigt mir, dass Bakterien gewachsen sind. Was ist, wenn sich ungewollte Bakterien in meiner Lösung befinden? Unterschiedliche Bakterienarten kann ich in Flüssigkulturen nicht unterscheiden und schon gar nicht voneinander trennen. Indem ich steril arbeite, stelle ich sicher, dass sich nur meine gewünschten Bakterien vermehren.
Steril arbeiten bedeutet, dass ich durch meine Arbeitsweise keine anderen Bakterien und Keime von außen in meine Kultur bringe. Also tragen wir im Labor Handschuhe, desinfizieren unsere Hände, nutzen sterile Ösen und Pipettenspitzen, verschließen und Gefäße und öffnen sie nur unter einer speziellen Werkbank.
Doch was, wenn die Form der Bakterien interessant ist, um sie voneinander zu unterscheiden? Hier kommen Agarplatten ins Spiel.
Die Kultivierung auf Agarplatten
Bakterien wachsen auch auf Agarplatten. Das waren diese Schalen, in denen sich eine geleeartige Masse befindet und in der Bakterien alles zum Wachsen finden. Einzelne Bakterien sehen wir auf den Agarplatten nicht, dafür Kolonien.
Unter Kolonien verstehen wir viele Bakterien, die sich zu einem Haufen zusammenlagern. Ein einzelnes Bakterium ist für uns mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, aber die zu einer Kolonie zusammen gelagerten schon.
Wachsen Bakterien auf Agarplatten, dann wächst jede einzelne Bakterienart sehr charakteristisch. Die Kolonien sind dann groß oder eher klein, glänzend oder matt, erhaben oder flach, mit gekräuseltem oder glattem Rand, rot, gelb, weiß. Diese Merkmale sind in der Diagnostik hilfreich. Wir unterscheiden, ob wir es mit Staphylokokken oder E. coli zu tun haben.
Kurz gesagt
In der Diagnostik und der Forschung brauchen wir viele von ihnen – Bakterien derselben Art. Warum? Um den Übeltäter einer Infektion zu überführen oder den Übeltäter besser zu verstehen. Und das geht nur, wenn wir dieselben Bakterien so oft kultivieren, bis wir unsere Fragen beantwortet haben.
Glücklicherweise funktioniert das einfach und gut – gib den Bakterien die Nährstoffe, die sie zum Wachsen brauchen und sie vermehren sich. Egal, ob auf Agarplatte oder in Flüssigkultur.