Aus 1 werden Millionen: Das Bakterienwachstum

Bakterien wachsen schnell. Unglaublich schnell. Glaubst du nicht? Dann musst du unbedingt weiterlesen, denn das schnelle Wachstum der Bakterien ist eines ihrer wichtigsten Merkmale, wenn du mich fragst.
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Zuletzt aktualisiert am 25. Juli 2022 von Isabell

Heute wird es um das Bakterienwachstum gehen. Wir wollen klären, warum Bakterien so unglaublich schnell wachsen und das überhaupt möglich ist und wie das bakterielle Wachstum so aussehen kann. Bereit?

Wann hast du das letzte Mal selbst z. B. ein Dessert zubereitet, der nicht gebacken werden musste? Hast du penibel genau darauf geachtet, dass die Speise durchgängig gekühlt wurde? Das kann besonders im Sommer bei Gartenpartys zu einem Problem werden, wenn der Nachtisch auf einem Buffet draußen in der prallen Sonne steht. Schnell entsteht dann eine Temperatur, zuerst an den Rändern, und dann im Inneren der Speise, die für Bakterien optimal ist. Genau dann vermehren sie sich mit ausreichend Nahrung und der richtigen Temperatur rasend schnell.

Aber auch sonst gibt es Beispiele in deinem Alltag, bei denen Bakterien sehr schnell wachsen können. Wir hatten bereits darüber gesprochen, dass Bakterien zu den Mikroorganismen gehören. Mikroorganismen, das waren kleine Organismen, die wir mit dem bloßen Auge nicht sehen können.

Wenn sie aber die Möglichkeit der optimalen Umgebung bekommen – also Nahrung und Wasser in Kombination mit der passenden Temperatur sind vorhanden – denn werden aus ganz wenigen innerhalb weniger Stunden oder Tage ganz, ganz viele. Ich merke das persönlich immer ganz besonders, wenn ich den Stöpsel meines Waschbeckens reinige. Gefühlt habe ich ihn erst sauber gemacht. Und dann ist dann da wieder diese unschöne schwarz-braune schleimige Schicht an der Unterseite des Stöpsels, die nun wirklich nicht schön anzuschauen ist.

Und weißt du was? Genau das sind viele, viele Bakterien! Die du sehen kannst, weil sie die Möglichkeit bekommen haben, sich zu vermehren. Übrigens, dieser schwarz-braune Schleim wird Biofilm genannt. Diese Fähigkeit der Bakterien ist eine ganz bemerkenswerte und begegnet uns auch in vielen anderen Bereichen, z. B. bei Karies.

Wie vermehren sich Bakterien?

Nun stellt sich die Frage, wie es für Bakterien möglich ist, sich so schnell zu vermehren. Bakterien sind sehr einfach aufgebaut. Der gesamte Organismus besteht aus nur einer einzigen Zelle, und das Erbmaterial (Bakterienchromosom) ist ohne einen schützenden Zellkern inmitten dieser Bakterienzelle.

Im Vergleich zu uns Menschen (ein Mensch besteht aus vielen Millionen Zellen, die dazu noch unterschiedlich sind) ist der bakterielle Aufbau also sehr simpel.

Mindestens genauso einfach ist die Vermehrung der Bakterien. Stell dir vor, du würdest einen einigermaßen runden Knete-Haufen mit einer Schnur in der Mitte abschnüren. Aus einem Klumpen hast du in kürzester Zeit zwei kleinere Knete-Klümpchen, die Tochter-Knete-Klümpchen sozusagen, erzeugt.

Genauso kannst du dir das Bakterienwachstum vorstellen. Okay, noch ein klein wenig komplizierter, denn das Bakterienchromosom muss z. B. auch an die kleinere Tochterzelle weitergegeben werden. Aber vom Prinzip her ist es genau das: Aus einer Bakterienzelle werden durch einfache Zellteilung zwei Tochter-Bakterienzellen. Diese Tochterzellen sind identisch zur Ursprungszelle.

Bakterien vollführen also eine Zweiteilung, denn aus einer Bakterienzelle werden zwei Bakterienzellen.

Am Anfang ist das Bakterienwachstum langsam, aber dann…

Zwei grundlegende Schritte machen das Bakterienwachstum aus: Die Vergrößerung der Ursprungszelle auf das etwa Doppelte der ursprünglichen Größe und die sich anschließende Zweiteilung.

Die Zeit, die eine Bakterienzelle benötigt, um durch Zweiteilung zwei Bakterienzellen auszubilden, wird als Generationszeit bezeichnet. Das Darmbakterium Escherichia coli, dem “Arbeitstier” in der Forschung, braucht etwa 20 Minuten für diese Zweiteilung.

Ein kleines Gedankenexperiment

Aber, gehen wir das Ganze mal rein theoretisch durch, denn es könnte sein, dass es nur sehr schwer vorstellbar ist. Also, stellen wir uns vor, dass wir am Anfang eine Bakterienzelle (z. B. Escherichia coli, das sich alle 20 Minuten teilt) haben.

Nach der ersten Zweiteilung haben wir 2 Bakterienzellen (20 Minuten). Nach der zweiten Teilung haben wir 4 Bakterienzellen (40 Minuten). Nach der dritten Teilung sind es dann schon 8 Bakterien (60 Minuten). Nach der vierten sind es dann 16 Bakterien (80 Minuten) und nach einer weiteren Teilung schon 32 (100 Minuten).

Das ganze nimmt also so langsam an Fahrt auf. Okay, okay. Es klingt immer noch nach sehr wenigen Bakterien. 32 Bakterien sind wirklich nicht viel. Spinnen wir das Spiel weiter.

Nach 10 Teilungen haben wir schon über 1000 Bakterien. Nach 20 Teilungen sind es dann schon 1 Million Bakterien. Nach etwa 25 Teilungen haben wir eine Zellzahl erreicht, die wir z. B. in Biofilmen mit dem Auge sehen können (wir erinnern uns: dieser braun-schwarze Schleim am Waschbeckenstöpsel). Das sind dann etwa 10 bis 100 Millionen Bakterien in einem Biofilm.

25 Teilungen bei unserem Darmbakterium würden gerade mal etwas mehr als 8 Stunden bedeuten. Bei unseren Biofilm-Bakterien kann das allerdings schon mal ein klein wenig länger dauern. Aber dennoch faszinierend, oder?

Exponentielles Wachstum heißt das Zauberwort

Das Bakterienwachstum folgt den Regeln des exponentiellen Wachstums. Dieses wird auch unbegrenztes Wachstum bezeichnet (zumindest theoretisch ist das möglich). Das bakterielle Wachstum wird durch die Umweltbedingungen eingeschränkt, sodass sich Bakterien nur so oft vermehren können, wie sie z. B. ausreichend Nahrung zur Verfügung haben.

Vielleicht macht die Abbildung das noch ein bisschen deutlicher, was das exponentielle Wachstum beim Bakterienwachstum bedeutet.

Exponentielles Wachstum bei Bakterien (ungebremstes Bakterienwachstum)
Warum das bakterielle Wachstum so unglaublich schnell ist…

Vielleicht ist dir der Begriff des exponentiellen Wachstums in der aktuellen Pandemie bekannt. Hier sind die Fallzahlen zunächst auch erst langsam gestiegen. In den letzten Tagen und Wochen erreichen wir aber immer neue Höchststände und befinden uns mitten im exponentiellen Wachstum.

Aber nicht die gesamte Zeit, denn …

Wie ich bereits erwähnt habe, vermehren sich Bakterien durch Zweiteilung und auch zu Teilen im exponentiellen, d.h. ungebremsten Wachstum. Aber, dass Bakterien Lebewesen sind, die auf Nahrung angewiesen sind, macht das exponentielle Wachstum nur einen Teil des Wachstums bei Bakterien aus.

Das Wachstum der Bakterien wird in verschiedene Phasen eingeteilt. In jeder Phase verhalten sich die Bakterien anders, da sich ihre Umwelt in diesen Phasen verändert.

Schauen wir uns diese Phasen mal an.

Phasen des Bakterienwachstums bei limitierenden Bedingungen
Phasen des bakteriellen Wachstums [Quelle: Spektrum.de]

Zu Beginn, in der Anlaufphase (ganz links), sind wenige Bakterien vorhanden, die sich erst einmal an ihre Umgebung anpassen müssen. Das ist ungefähr so, wie wenn du auf einem Fest erst mal ankommen musst, etwas trinkst und nach und nach mit den Menschen um dich herum in Kontakt kommst.

Nach dieser Phase kommen wir in die Phase des unbegrenzten Wachstums. Aber eben nur in dieser Phase, also einem begrenzten Zeitraum. Das ist so, da mit zunehmender Zahl der Bakterien auch das Nahrungsangebot immer knapper wird. Außerdem müssen Bakterien durch ihren Stoffwechsel auch Stoffe loswerden, die sie nicht mehr brauchen (sogenannte Abfallstoffe). Diese Abfallstoffe behindern das Wachstum zusätzlich.

Irgendwann erreicht das Bakterienwachstum ihren Höhepunkt

Als Folge wird das Bakterienwachstum immer langsamer und die Zahl neuer Bakterienzellen wird geringer. Wir steuern auf ein Maximum zu und landen in der stationären Phase. Hier halten sich lebende Zellen und die, die absterben, die Waage. Die Bakterienbevölkerung wächst nicht mehr.

Mit zunehmender Zeit und wenn keine neuen Nährstoffe von außen dazu kommen, fangen die Bakterienzellen langsam an, abzusterben. Die Population wird geringer, da immer mehr Bakterien sterben.

Solange Bakterien aber immer wieder Futter bekommen und die Bedingungen weiterhin gut für sie sind, werden sie munter weiterwachsen. Denn das können sie besonders gut.

Wie das Bakterienwachstum im Labor aussieht

Wenn wir im Labor mit Bakterien arbeiten, dann sind wir darauf angewiesen, dass sie gut wachsen. Denn nur wenn wir ausreichend Bakterien zur Verfügung haben, können wir diese untersuchen. Und wie du vielleicht bemerkt hast, geht das bei den meisten Bakterien wirklich flott. Es gibt aber auch Bakterien, die extrem langsam wachsen, wie z. B. Mycobacterium leprae, den Auslöser von Lepra.

Nehmen wir an, wir arbeiten mit einem schnell wachsenden Bakterium, z. B. E. coli, unserem Darmbakterium. Wir können unseren E. coli im Labor grob auf zwei Arten wachsen lassen: Auf der Agarplatte und in einer Flüssigkultur.

Wachstum auf einer Agarplatte

Auf einer Agarplatte (Petrischale mit geleeartigem Nährboden) können wir Bakterienkolonien, also Haufen vieler zusammen gelagerter Bakterien, sichtbar machen. Diese Methode haben wir unter anderem schon (imaginär) benutzt, als wir die Bakterien vom Spülschwamm oder dem Handy sichtbar gemacht haben. Dieses Wachstum ist im Labor ganz praktisch, wenn wir an den einzelnen Kolonien interessiert sind.

Bakterienwachstum auf einer Agarplatte - als Bakterienkolonien sichtbar
Bakterienkolonien auf einer Agarplatte

Die Kolonien der verschiedenen Bakterienarten, also z. B. Darm- oder Hautbakterien, sehen unterschiedlich aus und sind für sie charakteristisch. Das bedeutet, dass wir das Aussehen der Kolonien nutzen können, um Bakterien genauer zu bestimmen. Genauso gut können wir auch sehen, ob wir nur eine Art Bakterium auf der Agarplatte haben oder ob mehrere vorhanden sind.

Mehrere Bakterienarten finden wir z. B. auf Gegenständen, die von vielen verschiedenen Menschen berührt werden. Aber auch auf unserer Haut.

Diese Agarplatten werden u. A. benutzt, um die Anzahl der Bakterien im Leitungswasser zu bestimmen, da wir die einzelnen Kolonien hier sehen können. Die Bakterien wachsen auf diesen Agarplatten, aber eine Vermehrung dieser findet eher im Flüssigmedium statt.

Wachstum im Flüssigmedium

Eine zweite Art, Bakterien zu vermehren und sichtbar zu machen, ist die Flüssigkultur. Das Medium ist ähnlich zur Agarplatte, nur ohne das gelierende Mittel. Das ist in der Regel Agar-Agar und wird auch als pflanzliches Geliermittel beim Backen eingesetzt (als Alternative zu Gelatine).

Ohne Agar-Agar wird das Medium nicht fest und bleibt klar-gelblich und flüssig. Das Wachstum der Bakterien findet dann in Röhrchen statt, wie du sie auf dem Bild hier drunter sehen kannst.

Bakterienwachstum im flüssigen Kulturmedium
Das Wachstum von Bakterien im Flüssigmedium – keine Ausbildung von Kolonien

Das zweite Röhrchen von rechts, das Röhrchen mit der klaren Flüssigkeit, beinhaltet nur das flüssige Nährmedium. Geben wir Bakterien hinzu und lassen sie für ein paar Stunden bei 37 °C wachsen (da das E. coli ist), dann sehen wir eine Trübung des Mediums. Diese Trübung kommt durch die vielen, vielen Bakterien zustanden, die sich in dem Röhrchen befinden, und wird optische Dichte (OD) bezeichnet.

Die optische Dichte kann im Labor bestimmt werden. Wir erinnern uns an die Wachstumsphasen von Bakterien zurück. Ganz zu Beginn – in der Anlaufphase – wird das Medium noch so klar sein wie bei dem zweiten Röhrchen von rechts. Wenn sich die Bakterien vermehren, wird sich das Medium in der exponentiellen Phase trüben, bis eine maximale Trübung erreicht ist. Danach kann es passieren, dass die Trübung wieder abnimmt, weil die Bakterien absterben.

In der Abbildung weiter oben mit den Wachstumsphasen ist diese optische Dichte mit der schwarzen Linie auch dargestellt. Für jede Bakterienart ist diese Wachstumskurve unterschiedlich. Wenn der Forscher sie aber einmal bestimmt hat, kann er anhand der optischen Dichte sagen, in welcher Wachstumsphase sich die Bakterien befinden. Und das ist wichtig für Untersuchungen in der Forschung, da wir fitte Bakterien benötigen 😉

Und zum Schluss: Das Wichtigste im Überblick

  • Bakterien wachsen sehr schnell. Das ist möglich, weil sie sehr einfach aufgebaut sind und aus nur einer einzigen Zelle bestehen.
  • Sie vermehren sich durch Zweiteilung. Das heißt, dass aus einer Bakterienzelle zwei Tochter-Bakterienzellen werden.
  • Vermehrte Bakterien sind immer Klone der Ursprungszelle.
  • Bei unerschöpflichem Nährstoffangebot (und ohne weitere begrenzende Bedingungen) folgt das Bakterienwachstum dem exponentiellen Wachstum.
  • Bereits nach 20 Zellteilungen werden bei schnell wachsenden Bakterien 1 Million Nachkommen erreicht!
  • Bei einschränkenden Bedingungen, z.B. Nahrungsmangel, durchläuft das bakterielle Wachstum verschiedenen Phasen mit einem Maximum an Bakterienzellen.
  • Im Labor werden Bakterien auf Agarplatten sichtbar gemacht oder im Flüssigmedium vermehrt.

Was hast du für dich persönlich aus diesem Beitrag mitgenommen? Ich bin gespannt und freue mich auf deinen Kommentar 🙂

Alles Liebe Isabell

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