Was ist? Biotechnologie – magischer Begleiter deines Alltags

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Lass uns in ein neues Themenfeld starten, was mir persönlich sehr am Herzen liegt: die Biotechnologie.

Warum es mir am Herzen liegt? Weil ich damals nach meiner Ausbildung eher zufällig in dieses Feld gestolpert bin und mich dann aber Hals über Kopf verliebt habe! Je mehr ich über die Biotechnologie und was damit alles möglich ist, erfahren habe, umso faszinierter war ich.

Vielleicht hast du gerade ein riesengroßes Fragezeichen über deinem Kopf. Ziemlich wahrscheinlich stellst du dir dieselben Fragen, wie ich sie damals hatte. Was zur Hölle ist Biotechnologie? Ist das gefährlich? Welchen Nutzen hat das oder ist es eine neumodische Erscheinung?



Wie auch schon beim Mikrobiom ist dieses Thema einfach zu vielfältig, um alles in einen einzigen Artikel zu stopfen. Vielmehr gehen wir es langsam an. Und auch wenn ich jetzt schon ein wenig vorweg greife: Da ich aus dem Bereich der Biotechnologie komme, der sich mit medizinischen Anwendungen beschäftigt, bin ich keine Expertin für landwirtschaftliche oder industrielle Nutzungen.

Daher habe ich mir eine Gastautorin, die Wissenschaftlerin Wiebke Walleck von der Universität Münster, eingeladen. Gemeinsam wollen wir das spannende Thema rund um die Biotechnologie beleuchten.

Meine naive Vorstellung – wir kopieren die Natur

Kurz vor Ende meiner Ausbildung (ich bin gelernte Biologielaborantin) stellte sich mir eine große Frage: Was mache ich nach meiner Ausbildung? Ich wusste, dass ich nicht weiter in meinem Ausbildungsberuf bleiben wollte.

Nicht, weil es mir keinen Spaß gemacht hätte. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Denn ich hatte unglaublich viel Spaß daran, meine Versuche zu machen. Aber mit der Auswertung, geschweige denn der Planung vorher, hatte ich leider gar nichts am Hut.

Immer mehr reifte der Gedanke in mir, dass ich gern ein Studium beginnen möchte. Das naheliegendste Fach wäre Biologie gewesen. Aber schon damals hatte ich im Kopf, dass ich als Biologin heutzutage keinen Job finden würde. Der Studiengang sei überholt und mittlerweile gäbe es bessere Alternativen.

Das war der Moment, als ich über die Biotechnologie stolperte. Meine Vorstellung bis dahin: Ach cool, das war doch das, wo wir versuchen, die Natur zu kopieren. Mein Paradebeispiel: Der Lotos-Effekt der Pflanzen, bei denen das Wasser so schön abperlt (dieser Effekt wird u.a. für Waschbecken genutzt).

Was ich dir aber hier schon sagen kann: Nein, das ist keine Biotechnologie, sondern nennt sich Bionik. Aber, sei’s drum. Mit dieser Vorstellung stürzte ich mich also in mein Studium, jonglierte mathematische und physikalische Formeln, lernte vieles über Zellen und Bakterien und noch mehr über Bioreaktoren und wieder Formeln.

Klingt nicht spannend? War es aber (okay, nicht der Mathe- und Physikteil – da bin ich keine Leuchte). Denn nach und nach erschloss sich mir eine Welt von coolen Bakterien, noch cooleren Techniken und richtig coolen Anwendungen.

Was ich meine? Lass uns einen Blick in die Welt der Biotechnologie wagen 🙂

Wusstest du, dass diese 6 Dinge biotechnologisch sind?

Wenn wir ein neues Thema kennenlernen, werden wir erstmal mit neuen Begriffen beworfen. Und ja, ich könnte dir hier jetzt sofort einfach (und langweilig) die Definition der Biotechnologie an den Kopf knallen.

Vermutlich wirst du sie in den drei Sekunden danach wieder vergessen haben.

Deswegen lass uns doch mal andersherum starten. Ich zeige dir, dass du mehr mit der Biotechnologie (okay, eher ihren Produkten) zu tun hast, als du jetzt vielleicht denken würdest.

Bist du bereit?

Lass mich raten: Du fragst dich gerade, was daran biotechnologisch ist?

Vielleicht sollte ich eine kleine Geschichte vorweg erzählen, damit du eine Idee vom Sinn dahinter bekommst. Nehmen wir das Beispiel Insulin.

Insulin und der Bedarf an Schweinen

Dieses Medikament wird von Diabetikern benötigt, um ihren Zuckerspiegel wieder zu normalisieren, weil ihr Körper dazu selbst nicht (mehr) in der Lage ist. Insulin ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Bei Diabetikern kann die Bauchspeicheldrüse beispielsweise kein oder nur noch wenig Insulin produzieren. Damit Diabetiker aber nicht sterben, brauchen sie Insulin. Woher soll das aber genommen werden?

Schon früh stellten wir fest, dass wir Menschen mit den Schweinen in ziemlich vielen Eigenschaften übereinstimmen. So kamen Forscher auf die Idee, dass das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen genommen werden kann.

Die Behandlung von Diabetes sah genau so aus: Den Patienten wurde das Insulin von Schweinen gespritzt. Das klappte relativ gut. Da Mensch und Schwein aber eben doch nicht komplett identisch sind, kam es sehr häufig zu Nebenwirkungen. Darüber hinaus wurde der Bedarf an Insulin mit den Jahren immer höher und als Folge mussten immer mehr Schweine ihr Leben lassen, damit aus den Bauchspeicheldrüsen Insulin gewonnen werden konnte.

In vielerlei Hinsicht keine schöne Sache! Eine Alternative musste her.

Biotechnologie in Aktion: Insulin als erstes, biotechnologisch hergestelltes Medikament

Diese Alternative war Ende der 1970er Jahre gefunden und seit 1982 in Anwendung. Und dafür kombinieren wir mein Lieblingsthema mit meinem Lieblingsorganismus:

Biotechnologie + Bakterien = geniales Produkt

Mit der Entdeckung und Entschlüsselung der DNA lernten Forscher auch immer mehr über Bakterien. Es stellte sich heraus, dass die DNA von Bakterien im Labor verändert werden kann, und zwar so, dass wir die Bakterien als kleine Fabrik nutzen können.

Wie das geht? Die Information, z.B. für Insulin (ein Protein), wird in die DNA des Bakteriums eingefügt. Bakterien vermehren sich unglaublich schnell. Bei jeder Vermehrung wird auch die Information für Insulin weitergegeben. Viele Bakterien einer Kultur sind dann in der Lage, Insulin zu bilden. Das geschieht für gewöhnlich in einem Bioreaktor, quasi einem großen, wohltemperierten Rührkessel mit allem, was Bakterien zum Wachsen brauchen.

Aus diesem Bioreaktor kann dann das Insulin herausgefiltert und gereinigt werden. Am Ende einer aufwendigen Reinigung ist dann das Medikament Insulin entstanden – ganz ohne Schweine, die dafür sterben mussten. Ziemlich cool, oder?

Insulin wird auf diese Art und Weise seit Anfang der 1980er – Jahren hergestellt und hat seitdem vielen Menschen das Leben gerettet.

Das ist Biotechnologie!

Die Biotechnologie nutzt also ganze Organismen (wie Bakterien) oder auch nur Teile von ihnen (Proteine), um daraus neue Produkte und Anwendungen zu erzeugen.

Durch biotechnologische Verfahren ist es möglich, dass wir Energie oder Ressourcen einsparen, weil die Herstellung mit biologischen Komponenten meist mit geringerem Materialbedarf funktioniert.

Doch die Biotechnologie ist gar kein neues Verfahren. Der Begriff wurde zwar erst 1919 durch den ungarischen Ingenieur Karall Ereky geprägt, aber die Biotechnologie an sich nutzen wir schon seit tausenden Jahren!

Die ersten biotechnologischen Produkte waren Brot, Bier, Joghurt, Essig oder Käse! Anfangs noch unbewusst, stellten die Menschen später fest, dass Pilze oder Bakterien dafür verantwortlich waren, dass Gase (wie beim Brot backen oder Bier brauen) oder Säuren (Essig) gebildet werden, die die Lebensmittel haltbar oder genießbar machen.

Im Laufe der Jahre wurde das Wissen immer größer. Hinzu kamen Alkohol, Aceton oder Zitronensäure. Das Abwasser wurde noch vor 1940 mit Bakterien behandelt und gereinigt. Antibiotika, Aminosäuren und Enzyme wurden mit Mikroorganismen gebildet.

Seit der Entdeckung der DNA und Entwicklung von Methoden zur Vervielfältigung der DNA (die PCR) “explodiert” die Entwicklung von biotechnologischen Anwendungen.

Warum Biotechnologie?

Heutzutage ist die Biotechnologie nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken und in nahezu allen Bereichen unseres Lebens vertreten.

Das Ziel und der Nutzen dahinter ist einfach: Das Leben von uns Menschen einerseits vereinfachen und dabei Ressourcen wie Energie und Wasser einzusparen. Oft können durch biotechnologische Verfahren teure chemische Prozesse ersetzt werden, sodass chemische Abfälle verringert werden.

Die Farben der Biotechnologie

Durch biotechnologische Anwendungen können aber auch gezielte Therapien ermöglicht werden. So werden beispielsweise Zellen in Laboren verwendet, um ganz spezielle Antikörper zu produzieren. Diese sind einerseits sehr sauber und haben kaum Nebenwirkungen. Andererseits greifen sie ganz gezielt ihre Zielstruktur an, z.B. Krebszellen.

Anwendungen aus dem medizinischen Bereich werden zur roten Biotechnologie (rote BT) gezählt (rot, weil es an das Blut des Menschen erinnert, für den diese Anwendungen und Tests entwickelt werden).

Doch auch in der Landwirtschaft (grüne Biotechnologie), in Industrieprozessen (weiße Biotechnologie) oder der marinen Biotechnologie (blau) findet dieses Gebiet Anwendung. Dazu zählen beispielsweise diese Anwendungen oder Produkte:

  • Grüne BT – Herstellung von Bioethanol
  • weiße BT – Abwasserreinigung und alle Produktionen in Großanlagen (z.B. Nahrungszusätze)
  • blaue BT – Alginat aus Algen in Zahnpasta

Die Biotechnologie und ihre Vielfalt

  • Sie ist eine sehr alte Anwendung – Brot und Bier sind klassische, biotechnologische Produkte (wenn du dein eigenes Brot backst, bist du dann auch ein Biotechnologe? 😉 )
  • Die Biotechnologie nutzt also ganze Organismen (wie Bakterien) oder auch nur Teile von ihnen (Proteine), um daraus neue Produkte und Anwendungen zu erzeugen
  • Prozesse optimieren, um Energie und Ressourcen zu sparen und (chemische) Abfälle einzusparen
  • es gibt verschiedene Bereiche: blau (marine Anwendungen), weiß (industriell), grün (landwirtschaftlich) oder rot (medizinisch)

Nachdem du jetzt schon einiges über die Biotechnologie erfahren hast, auf welchen Bereich (grün, weiß, rot) freust du dich schon? Kennst du weitere biotechnologische Produkte?

Im nächsten Beitrag wird Gastautorin Wiebke Walleck einen Einblick in die mikrobielle Biotechnologie im Alltag geben.

Alles Liebe
Isabell

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