Zuletzt aktualisiert am 25. Juli 2022 von Isabell
Wir wissen, dass es Bakterien schon sehr lang gibt. Fossile Funde belegen die Anwesenheit von mikrobiellen Formationen bereits zur Zeit der Dinosaurier. Und mit der Zeit kommt Veränderung. Bakterien entwickeln sich wie wir weiter, nur eben ein bisschen schneller. Was wiederum in einer enormen bakteriellen Vielfalt resultiert.
Aber, Veränderungen erfolgen durch äußere Einflüsse, um besser mit neuen Bedingungen zu leben. Wie sieht das aber aus, wenn Bakterien schon optimal an eine Umgebung angepasst waren? Wenn das Überleben im Menschen gesichert war? Gibt es diese Krankheiten auch heute noch?
Krankheiten im alten Ägypten
Archäologen untersuchen seit Jahrzehnten Schriftrollen des alten Ägypten und versuchen daraus die Lebensumstände, Gewohnheiten, die Architektur und auch die Medizin zu der Zeit zu entschlüsseln. Dabei zeigte sich immer wieder, dass die frühen Ägypter bereits relativ hochentwickelte medizinische Verfahren hatten. Dazu zählen u. a. die Kräuterheilkunde, die Gynäkologie und Geburtshilfe, Kenntnisse über die Anatomie und Physiologie, die Mumifizierung sowie Vorstufen zur heutigen Chirurgie.
Diese Aufzeichnungen geben auch Aufschluss darüber, welche Krankheiten zu dieser Zeit vorherrschten. Außerdem zeigten sie auch die Behandlung der damaligen Erkrankten. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Erkrankungen wie Kopfschmerzen, parasitäre Erkrankungen wie Malaria und Würmer sowie bakterielle Krankheiten wie Brucellose, Wundstarrkrampf (Tetanus) und Tuberkulose diagnostiziert und auch behandelt wurden.
All diese Erkrankungen sind auch heute noch in unserer modernen Welt verbreitet und bis heute nicht bekämpft. Wahrscheinlich werden im Vergleich zur Antike andere und womöglich verbesserte Methoden zur Therapie heutzutage eingesetzt werden. Diese Erkrankungen aber sind bis heute existent.
Eine weitere, heute teilweise in Vergessenheit geratene tropische Bakterieninfektion ist Lepra. Auch hier fanden sich Aufzeichnungen auf den Schriftrollen des alten Ägypten.
Lepra – eine alte bakterielle Erkrankung
Was aber ist Lepra?
Lepra (lat. lepros = aussätzig) ist eine chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die durch das grampositive Bakterium Mycobacterium leprae verursacht wird. 1874 entdeckte der norwegische Arzt Gerhard Hansen diese Erkrankung (deswegen auch oft Hansen-Erkrankung).
Auch wenn Lepra in unseren Breitengraden eine scheinbar vergessene Krankheit ist, so ist sie nicht zu unterschätzen und sollte wieder vermehrt ins Bewusstsein gerufen werden. Offiziell wird Lepra als vernachlässigte Tropenkrankheit (Neglected Tropical Disease = NTDs) geführt.
Weltweit infizierten sich 2020 etwa 128.000 Menschen mit Lepra. Besonders in tropischen Entwicklungs- und Schwellenländern ist die Zahl der (Neu-)Infektionen sehr hoch, und die Betroffenen leiden unter ihrer Erkrankung auf vielerlei Weise.
Länder mit hohen Fallzahlen sind u. a. Kolumbien, Tansania und Afghanistan, vor allem aber Indien und Brasilien.
In Deutschland ist Lepra übrigens eine äußerst selten vorkommende Krankheit. So haben sich in den letzten 7 Jahren gerade mal 8 Menschen mit Lepra infiziert.
Infektion & Erscheinungsbild von Lepra-Erkrankten
Das natürliche Vorkommen von Mycobacterium leprae (M. leprae) sind Gürteltiere. Aber auch die Übertragung durch eine Tröpfcheninfektion und längerfristiger Kontakt mit verletzter Haut ist sehr wahrscheinlich. Bis heute ist allerdings der vollständige Übertragungsweg nicht geklärt.
Das Erscheinungsbild von Lepra-Erkrankten ist sehr vielfältig, da diese Krankheit die Haut, das Nervensystem, den oberen Atmungstrakt und die Augen befallen kann. Auf der Haut können sich pigmentierte Hautrötungen in unterschiedlicher Intensität zeigen. Diese Rötungen können sich zu erhabenen Stellen entwickeln und ertastet werden. Teilweise sind diese Erhebungen auch schuppig.
Lepra-Infektionen, die das Nervensystem befallen, führen oft dazu, dass Betroffene keine Schmerzen mehr über die Haut wahrnehmen. Auch kann es zu Einschränkungen der Bewegungen kommen, die letztlich zu bleibenden Behinderungen führen.
In vielen Fällen führt eine unbehandelte Infektion auch zum Verlust des Augenlichts und somit zur Erblindung der Erkrankten.
Das Erscheinungsbild von Lepra hängt stark vom Erkrankten ab. Forscher vermuten, dass die Stärke der Abwehrreaktion bestimmt, wie stark die Symptome ausgeprägt sind und welche Symptome sich ausbilden.
Warum aber kann es bis zur Erblindung kommen?
Lepra-Erkrankungen werden zumeist erst sehr spät erkannt. Oft, weil diese Krankheit mit einer starken Stigmatisierung begleitet ist. Erkrankte werden durch ihre Mitmenschen vom öffentlichen Leben fast vollständig ausgeschlossen, da die Angst vor einer Ansteckung sehr hoch ist.
Als Folge gehen Betroffene nicht zum Arzt und die Erkrankung schreitet voran.
Eine weitere mögliche Ursache ist das oftmals schlechtere Gesundheitssystem in betroffenen Ländern. Gerade Menschen an der Armutsgrenze können sich meist eine Behandlung mit Antibiotika nicht leisten. Die Abwärtsspirale aus Ausgrenzung – Verlust des sozialen Umfelds – fortschreitender Erkrankung und Armut beginnt.
Behandlung der Erkrankung
Das Wichtigste vorweg: Lepra-Erkrankungen sind behandel- und heilbar!
Lepra ist eine bakterielle Erkrankung, die mit einem Antibiotikum behandelt werden kann. Diese Behandlung ist bereits seit den 1940er-Jahren, also etwa 10 Jahre nach Entdeckung der Antibiotika, möglich!
Leider haben Bakterien die Eigenschaft, sich sehr schnell an neue Bedingungen anzupassen. Als Folge auf den Einsatz von Antibiotika entwickelten sich in den nächsten 20 Jahren Resistenzen. Das Bakterium hatte einen Weg gefunden, dass das verwendete Antibiotikum nutzlos oder nicht mehr so wirksam zur Behandlung von Lepra wurde.
Als Folge wurde die Therapie bereits in den 1960er-Jahren angepasst. Bis heute wird eine Kombinationstherapie aus drei verschiedenen Antibiotika über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten eingesetzt (multi drug therapy, MDT). Diese langwierige Therapie bedeutet hohe Kosten und regelmäßige Arztbesuche, was eine Behandlung in ärmeren Bevölkerungsschichten zusätzlich erschwert.
Eine Impfung wie bei anderen bakteriellen Infektionen?
Für viele bakterielle Infektionen gibt es Impfungen, um sich vor einer Erkrankung effektiv zu schützen. Dazu zählen u. a. die Impfungen gegen Haemophilus influenzae (Hib), Meningokokken (Auslöser von Hirnhautentzündungen) oder Keuchhusten. Diese sind bei uns durch die Ständige Impfkommission (STIKO) empfohlen und haben zu einem Rückgang der “Kinderkrankheiten” geführt.
Doch beim Erreger der Lepra gibt es eine Besonderheit, die die Entwicklung eines Impfstoffes bisher nur schwer möglich gemacht hat.
Wenn Forscher Impfstoffe entwickeln, dann vermehren sie im Labor unter kontrollierten Bedingungen das Bakterium. Das passiert auf einer Agar-Platte. Nur ist es bisher nicht gelungen, dass dieses Bakterium im Labor wächst. Aber, die Forscher hatten eine Idee: Sie nutzten den natürlichen Wirt, das Gürteltier. Diese sind in der Regel ohne Symptome mit dem Bakterium infiziert. Das Bakterium vermehrt sich in den Gürteltieren und die Forscher können das Bakterium aus dem Wirt “gewinnen”. So war es möglich, wichtige Merkmale des Bakterium zu bestimmen.
Diese Merkmale werden von unserem Körper normalerweise als fremd erkannt und die Infektion bekämpft. Bis zu diesem Punkt hat es 10 Jahre gedauert und war noch nicht das Ende der Lepra-Impfstoff-Entwicklung. Die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes wird in der sich anschließende klinischen Phase überprüft. Forscher hoffen, dass sie diese Phase 2025 abschließen können.
Einen Impfstoff wird es aber brauchen, um die Übertragung zwischen Menschen zu verhindern und andauernde Infektionen mit Antibiotika zu behandeln.
Besonderheiten des Bakteriums
M. leprae weist eine Besonderheit aus, die eine langwierige Therapie zur Folge hat. Es ist eines der Bakterien, die extrem langsam wachsen. Wirklich extrem langsam!
Ein normales Darmbakterium (E. coli) verdoppelt sich unter sehr guten Bedingungen alle 20 Minuten. Alle 20 Minuten wird aus einem E. coli zwei, aus zwei werden vier, aus vier werden acht usw. Bereits nach 6 Stunden sind aus einem Bakterium über eine Million geworden!
Bei M. leprae verhält sich das anders. Das Bakterium braucht ganze 2 Wochen, damit aus einer Bakterienzelle zwei werden! Dies hat zur Folge, dass von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit (= Inkubationszeit) im Durchschnitt etwa 5 Jahre vergehen.
Die lange Inkubationszeit führt auch dazu, dass bei anfänglichen Hautrötungen nicht automatisch an eine Lepra-Erkrankung gedacht wird. So vergeht weitere Zeit, in der sich die Krankheit weiter ausbreiten kann.
Das langsame Wachstum hat auch zur Folge, dass die Behandlung mit Antibiotika mindestens 6 Monate andauert. Schwer erkrankte Patienten erhalten oft für ein ganzes Jahr eine antibiotische Behandlung.
Die Vision einer Lepra-freien Welt
Dieses Vorhaben hat schon einmal funktioniert: Die Pocken wurden 1980 durch die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) als ausgerottet erklärt.
Das Ziel der Auslöschung von Lepra wurde im Jahr 1991 ausgerufen und sollte bis 2000 erfolgen. Lepra auslöschen bedeutet, dass sich weniger als 1 Mensch von 10.000 Menschen mit Lepra infiziert. Dieses Ziel wurde im Jahr 2000 nicht erreicht. Jedoch gelang es, die neu auftretenden Fälle um 86 % zu reduzieren.
Vergleichen wir die Fallzahlen von 2020 und 2000, so waren die Neuinfektionen um die Jahrtausendwende fast 6x höher als 2020! Diese Zahlen lassen hoffen. Doch die Belastung der Erkrankten ist durch Diskriminierung und Stigmatisierung immer noch sehr hoch.
Deswegen hat die WHO 2020 seine Lepra-Strategie weiter vorangetrieben und strebt weiterhin an, Lepra-Erkrankungen drastisch zu senken. Dabei soll vor allem die teils staatliche Diskriminierung von Lepra-Erkrankten bis 2030 beseitigt werden. Forscher wollen durch eine verbesserte Datenauswertung frühzeitig erkennen, wenn sich viele Menschen an einem Ort infizieren. Gelingt ihnen dies, so können sie die Übertragung auf andere Menschen effektiv reduzieren.
Welt-Lepra-Tag 2022
- das Bakterium Mycobacterium leprae löst die chronische Infektionskrankheit Lepra aus
- sie kommt vorwiegend in Brasilien und Indien vor
- die Ansteckung erfolgt über Tröpfcheninfektion und längerfristigen Hautkontakt zu Erkrankten
- Erkrankte leiden stark
- Erkrankungen führen zur Bildung von Hautrötungen, Knötchen, Verlust des Schmerzempfindens bis hin zur Erblindung und körperlichen Behinderung
- Mitmenschen ignorieren Erkrankte und grenzen sie aus Angst vor eine Ansteckung aus (Stigmatisierung)
- Lepra ist heilbar – durch eine Behandlung mit Antibiotika
- Forscher entwickeln derzeit eine Impfung (derzeit in klinischer Studie, voraussichtlich 2025)
“Eine Lepra-Erkrankung wiederum bedeutet für die meisten Betroffenen aufgrund von sichtbaren Behinderungen, sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung ein Leben in Armut.”
Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.
Zum Weiterlesen kann ich diese Seiten empfehlen (auf Deutsch):
Hast du schon mal was von Lepra gehört?
Welche Infektionskrankheiten kann ich für dich in weitere Blogbeiträgen näher beleuchten? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Alles Liebe
Isabell