9 Fragen! EHEC-Bakterien

Zuletzt aktualisiert am 12. Februar 2024 von Isabell

Ich freue mich schon so sehr, endlich mehr über mein Promotionsthema zu berichten, das mich die letzten drei Jahre intensiv beschäftigt hat. Der letzte Beitrag hat sich schon ein wenig mit möglichen Infektionsquellen beschäftigt. Als ich das erste Mal hörte, dass “mein” Bakterium mittlerweile auch in Mehl nachgewiesen wurde… uff!

Dieser Beitrag beleuchtet mit 9 Fragen kurz und kompakt, was an meinen krankmachenden Bakterien so besonders ist und sie ausmacht. Mit diesen Eigenschaften fällt es dann hoffentlich leichter, in den nächsten Beiträgen näher auf die aktuelle Forschung und die Diagnostik von EHEC-Infektionen einzugehen.

Bist du bereit, in die Welt der EHEC-Bakterien einzusteigen? Ich jedenfalls freue mich schon auf unsere gemeinsame Reise 😃

1. Was sind enterohämorrhagische E. coli?

Enterohämorrhagische Escherichia coli (E. coli), die auch kurz EHEC genannt werden, sind krankmachende Bakterien. Sie sind aus dem normalen Darmbakterium E. coli entstanden, weil sie zusätzliche Eigenschaften erworben haben, die sogenannten Virulenzfaktoren. Dadurch sind EHEC-Bakterien in der Lage, sich besser in uns Menschen auszubreiten. So wird beispielsweise durch produzierte Giftstoffe, die Toxine, das Gewebe des Darms geschädigt und die Bakterien können in tiefere Gewebeschichten eindringen. Beim Patienten äußert sich das vor allem durch Blutungen.

Credits: Manfred Rohde, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Rot eingefärbt sind die EHEC-Bakterien, die sich an die Darmwand (beige) heften.

2. Warum sollten mich EHEC-Bakterien interessieren?

Infektionen mit EHEC sind ein weltweit vorkommendes Problem. Sobald wir mit EHEC-Bakterien verunreinigte Lebensmittel zu uns nehmen, können wir uns mit ihnen infizieren. Normalerweise kommen EHEC bei Wiederkäuern vor, bei denen sich jedoch keine Erkrankung ausbildet. Sie sind Träger ohne Symptome.

Ist eine Kuh jetzt so ein asymptomatischer Träger von EHEC, können diese über die Ausscheidungen in die Umwelt abgegeben werden. Düngung führt beispielsweise dazu, dass EHEC-Bakterien dann auf Salaten landet. Problematisch sind auch Rohmilchprodukte, die vor dem Verzehr nicht durcherhitzt werden, sodass EHEC überleben kann.

Wenn wir uns mit Bakterien anstecken, die ursprünglich vom Tier stammen, wird von einer Zoonose gesprochen. Weltweit sind Zoonose ein großes Problem, da wir im engen Kontakt zu Tieren stehen und eine Übertragung dadurch sehr leicht möglich ist.

3. Wie akut ist das Problem von EHEC-Infektionen?

EHEC-Infektionen werden weltweit beobachtet und registriert und dabei ist es egal, welches Land wir uns anschauen. Entwicklungs- und Schwellenländer, aber auch Industrieländer wie Deutschland sind betroffen. Das beste Beispiel hierfür ist der große EHEC-Ausbruch 2011 in Norddeutschland, einer der bisher größten Ausbrüche, die weltweit registriert wurden.

In Deutschland werden alle EHEC-Infektionen am Robert Koch-Institut im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes registriert und wird im nächsten Blogbeitrag genauer beleuchtet. Auch in vielen anderen Ländern der EU werden EHEC-Fälle erfasst. 2022 wurden in der EU mehr als 7.100 EHEC-Infektionen gemeldet.

Die weltweiten Fälle können durch die Weltgesundheitsorganisation WHO nur geschätzt werden, da Infektionserkrankungen bei Weitem nicht in allen Ländern erfasst werden (können). In einer 2015 veröffentlichten Publikation wird von etwa 2,5 Millionen Fällen weltweit berichtet. Problematisch sind hier vor allem die unzureichenden hygienischen Bedingungen, weswegen Lebensmittel beispielsweise nicht gründlich genug gewaschen und durchgebraten werden.

4. Wie äußern sich Infektionen mit EHEC-Bakterien?

EHEC-Infektionen können extrem tückisch sein. Anfangs als “harmlose” Magenverstimmung mit Bauchschmerzen und Übelkeit getarnt, kann sie sich im weiteren Verlauf zu Durchfällen und nach etwa 5 Tagen nach Infektion zu blutigen Durchfällen, der sogenannten hämorrhagischen Colitis, entwickeln.

In vielen Fällen klingt eine EHEC-Infektion von selbst ab. 2011 haben wir jedoch besonders eindrucksvoll gesehen, dass sich bei vielen Patienten der Krankheitsverlauf zunehmend verschlechterte und sich weiter zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) entwickelte. Bei HUS werden die Nieren angegriffen und können sogar vollständig versagen.

Im Allgemeinen sind von EHEC-Infektionen ältere Menschen und Kinder unter 5 Jahren betroffen. Der EHEC-Stamm von 2011 hatte zudem Probleme bei Erwachsenen, völlig gesunden Menschen verursacht.

5. Können EHEC-Infektionen behandelt werden?

Dein erster Gedanke könnte jetzt sein: Moment mal, das hier ist ein Bakterium – also können wir es mit einem Antibiotikum behandeln! Der Gedanke ist gut. Die schlechte Nachricht: Bei EHEC-Infektionen aber leider nicht möglich.

Warum? Weil bei EHEC ein verschlechterter Krankheitsverlauf beobachtet wurde, wenn der Patient ein Antibiotikum erhielt. Das Antibiotikum sorgt dafür, dass EHEC-Bakterien einen speziellen Virulenzfaktor, das Shigatoxin, verstärkt produziert. Du erinnerst an die blutigen Durchfälle und das mögliche Nierenversagen bei EHEC-Infektionen? Die werden durch das Shigatoxin verursacht, die die EHEC bilden.

Die allgemeine Empfehlung ist daher, EHEC-Infektionen ausschließlich symptomatisch zu behandeln, also auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr zu achten und unter Umständen eine Dialyse durchzuführen (Seite 8-11).

6. Was ist das Besondere an EHEC-Bakterien?

Ist definitiv Vielseitigkeit und Individualität einzelner EHEC-Stämme. Denn bei EHEC gibt es nicht DAS eine Bakterium. Wir sehen bei EHEC vielmehr eine enorme Vielfalt durch beispielsweise bestimmte Strukturen auf der Oberfläche, die O- und H-Antigene. Diese begegnen dir, wenn EHEC näher beschrieben wird, z. B. beim Ausbruchsstamm 2011, der als EHEC O104:H4 angegeben wird.

Mit diesen Oberflächenmerkmalen lassen sich EHEC in eine erste Gruppierung bringen. Wir sehen, dass einige dieser Gruppen häufiger mit EHEC-Infektionen in Erscheinung treten, sodass dieses Merkmal bereits für eine erste Risikoeinschätzung genutzt werden kann. Ein prominentes Beispiel ist hier EHEC O157:H7.

Aktuell sind mehr als 200 O- Antigene und über 50 verschiedene H-Antigene beschrieben, die unterschiedlich kombiniert werden können. Ich möchte dich ja nicht mit mathematischen Rechnungen langweilen, aber rein rechnerisch ergeben sich hier mehr als 10.000 Kombinationen!

Leider kommen aber noch andere Virulenzfaktoren bei EHEC dazu, die die Vielfalt dieser Bakterien erhöhen. So können EHEC-Bakterien mit diesen Faktoren dafür sorgen, dass sie sich besser im Menschen ansiedeln können und so nicht so schnell mittels Durchfällen nach draußen transportiert werden.

Auch können unterschiedliche Enzyme und Toxine gebildet werden, damit sich die Bakterien leichter ausbreiten können. Das mitunter wichtigste Toxin ist das Shigatoxin, das für die blutigen Durchfälle und das Nierenversagen verantwortlich ist. Und, weil es die Vielfalt nicht schon groß genug ist, gibt es auch beim Shigatoxin zwei Typen mit mehreren Untertypen… Aber dazu in einem gesonderten Beitrag mehr.

Ich hoffe, dass ich dir einen kleinen Eindruck vermitteln konnte, wie unglaublich facettenreich EHEC ist. Und normalerweise ist Vielfalt ja schön, aber bei Bakterien erschwert uns diese Vielfalt vor allem die Diagnostik.

7. Wie werden EHEC-Infektionen nachgewiesen?

Infektionen werden (im besten Fall) sicher und eindeutig mit verschiedenen diagnostischen Methoden nachgewiesen. Aus der Corona-Pandemie kennst du sicherlich die PCR (Polymerasekettenreaktion), bei der der Erreger nachgewiesen wird, indem ein bestimmtes DNA-Stück vervielfältigt wird. Die PCR ist eine wirklich geniale Methode, denn solange wir bestimmte Merkmale des Bakteriums (oder Virus) kennen, können wir dieses Merkmal mit der PCR nachweisen.

Das wird auch bei der Diagnostik von EHEC-Infektionen eingesetzt. Mit der Echtzeit-PCR, der sogenannten Realtime-PCR, ist ein Ergebnis sogar schon innerhalb weniger Stunden möglich!

Methoden zum Nachweis von EHEC in diagnostischen Laboren.

Gerade bei Bakterien ist es aber auch wichtig, dass wir die Bakterien auf eine Agarplatte bringen. Das ist eine Geleeschicht in einer Petrischale, die wichtige Nährstoffe für die Bakterien enthält und auf der Bakterien wachsen können und sich zu Kolonien zusammenlagern. Diese Kolonien können wir auf der Agarplatte sehen (ein einzelnes Bakterium ohne Mikroskop hingegen nicht). Jedes Bakterium hat dabei sein ganz eigenes und spezielles Aussehen – einige sind klein, weiß und putzig, andere hingegen groß, ausufernd und flatschig. Einige sind schmierig (die Parallelen zum Menschen sind beeindruckend 😉 ), andere gefühlt staubtrocken und hart.

Die Untersuchung der Bakterienkolonien ist extrem wichtig für die Analyse von beispielsweise Ausbrüchen, denn nicht jede Kolonie löst auch tatsächlich eine Infektion oder blutige Durchfälle aus. Daher gibt es spezielle Agarplatten, die das Wachstum ermöglichen und gleichzeitig nachweisen, dass es sich um das spezielle Bakterium handelt. Und nicht nur eine, sondern eine Vielzahl an Agarplatten…

Zusätzlich gibt es noch weitere Methoden, um auch das Shigatoxin nachzuweisen. Das ist mit dem ELISA, dem Enzyme-linked immunosorbent Assay, möglich.

8. Was ist das Interessanteste für dich als Forscherin an EHEC?

Das ist die Vielfalt der EHEC-Bakterien! Denn auch wenn wir hier von einem Bakterientyp sprechen, können sie mit ihren Eigenschaften und Ausprägungen enorm unterschiedlich sein. Und das ist vor allem in der Diagnostik, aber auch in der Behandlung von EHEC-Infektionen sehr herausfordernd.

Immer, wenn ich als Forscherin das Gefühl habe, dass ich alles verstanden habe und auf andere Aspekte schließen möchte, dann zeigt mir EHEC den gefühlten Mittelfinger und streckt mir die Zunge raus. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die Forschung in diesem Bereich zwar gute Fortschritte macht und mit jeder Veröffentlichung das Wissen um EHEC steigt, es aber weiterhin Herausforderungen mit sich bringt und kreative Lösungsansätze braucht, um dieses Bakterium “vollständig” zu verstehen.

9. Wo siehst du den größten Handlungsbedarf?

Ach, wenn sich das so einfach beantworten lassen würde… Denn egal, wo ich den größten Handlungsbedarf in Bezug auf EHEC-Bakterien sehe, so habe ich natürlich meinen speziellen Bereich, in dem ich mich bewege. Andere EHEC-Forscher würden (zurecht) sagen, dass ihr Forschungsgebiet aber ebenfalls einen großen Handlungsbedarf zeigt.

Was für mich aber eine unbefriedigende Situation ist, ist die derzeitige Diagnostik und auch Behandlung von EHEC-Infektionen. Jedes Mal, wenn ich bei einer Einsendung an das Nationale Referenzzentrum am RKI das Alter der Patienten sehe, und das fällt mir als Mama besonders bei Kleinkindern schwer, dann steckt ein ziemlich großer Kloß in meinem Hals und der Wunsch, etwas schnell an der derzeitigen Situation verbessern zu wollen ist groß.

Denn aktuell gibt es zwar diagnostische Methoden, um EHEC-Bakterien nachzuweisen. Aber jede der Methoden hat eine Einschränkung, die häufig eine Kombination mehrerer Methoden notwendig macht. Zusätzlich wird der Nachweis erschwert, weil immer weniger auf das Wachstum der Bakterien auf Agarplatten gesetzt wird, sondern der Nachweis mittels PCR als ausreichend angesehen wird. In der Praxis zeigt sich aber, dass das nicht der Fall ist und die Zeit bis zu einem sicherem Ergebnis verzögert.

Derzeit dauert der Nachweis einer EHEC-Infektion vom Auftreten blutiger Durchfälle über den Besuch beim Arzt, dem Einsenden der Stuhlprobe an ein primärdiagnostisches Labor bis hin zum Ergebnis und der Übermittlung an den Arzt i.d.R. 3-6 Tage. Je kürzer dieser Zeitraum, umso besser für den Patienten. Denn die Behandlung richtet sich im besten Fall nach dem diagnostischen Ergebnis, was heißt: ausschließlich eine symptomatische Behandlung ohne Antibiotikatherapie!

Es ist also noch ein bisschen was zu tun.

Und jetzt du!

Was nimmst du für dich aus diesem Beitrag ganz persönlich mit? Ich freue mich auf deinen Kommentar 😊

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