Rohe Lebensmittel – eine verborgene Quelle für Infektionen?

“Ausbrüche dieses Jahr mit Tausenden von Opfern” – ich gebs zu, dass dieses Zitat nach einer reißerischen Schlagzeile klingt. Die so bei uns nicht erschienen, aber dennoch wahr ist.

Der Artikel zu dieser Überschrift fasst die lebensmittelbedingten Ausbrüche 2023 in den USA und Kanada zusammen. Die Übeltäter waren Salmonellen, Listerien oder EHEC, die über verschiedene Lebensmittel ihren Weg zum Verbrauchern fanden. Neben nicht pasteurisierter Milch und Cookie Dough infizierten sich viele Erkrankte nach dem Verzehr von Rinderhackfleisch.

Wir reden hier also von einem gesundheitlichen Risiko durch zumeist rohe Lebensmittel – eine verborgene Infektionsquelle? Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, lass uns mit einem kleinen Quiz starten, damit du dein gesundheitliches Risiko besser einschätzen kannst.

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Wie hast du dein gesundheitliches Risiko bei den Fragen des Quiz eingeschätzt? Gab es vielleicht sogar Aspekte, denen du bisher nie begegnet bist? Vermutlich ist dir das Risiko von beispielsweise süßem Teig mit rohen Eiern bekannt. Die Gefahr, dass wir uns mit Salmonellen infizieren ist hier besonders hoch. Denn da der Teig nicht durcherhitzt ist, wurden auch die Bakterien nicht abgetötet.

Ebenso ist vielen Menschen bekannt, dass rohes Fleisch ebenfalls ein gewisses Risiko birgt. Auch hier können sich Bakterien bei falscher Lagerung explosionsartig vermehren. Ohne das Fleisch durchzubraten würden wir als Genießer von Mett, Tartar oder Steak raw die Bakterien unter Umständen in hoher Zahl aufnehmen. Unser Körper könnte dieser massiven Invasion nur schwer etwas entgegensetzen.

Wie ist das Bewusstsein für rohe Lebensmittel in Deutschland? Haben wir potentielle Gefahren unserer täglichen Ernährung überhaupt auf dem Schirm?

Verzehr von rohen Lebensmitteln in Deutschland – eine Bestandsaufnahme

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat das Thema “rohe Lebensmittel” im Rahmen des Verbrauchermonitors aufgegriffen. Rund 1.000 zufällig ausgewählte Personen ab 16 Jahren wurden in einer Online-Befragung zu mehreren Bereichen dieses Themas befragt.

Rohmilchprodukte wie Weichkäse wurde bei mehr als 50 % der Befragten ein- bis mehrmals monatlich, wöchentlich oder täglich konsumiert. 21 % der Befragten gaben an, vom rohen süßen Teig mit Eiern wöchentlich bis monatlich zu naschen. Diese beiden Beispiele zeigen sehr schön, dass rohe Lebensmittel mitunter ein wichtiger Teil unserer Ernährung sind.

Interessant fand ich persönlich bei der Befragung, wie das gesundheitliche Risiko durch rohe Lebensmittel eingeschätzt wurde. 72 % gaben an, dass durch rohes Fleisch ein hohes bis sehr hohes Risiko ausgeht. Bei Rohmilch und Rohmilchprodukten hingegen ist das Gesundheitsrisiko außerhalb des Radars, denn nur knapp jeder fünfte (Rohmilch) bzw. jeder zehnte (Rohmilchweichkäse) sahen in diesen rohen Lebensmitteln ein Risiko.

Ganz zu Beginn hatten wir bereits die rohen Eier als Beispiel. Dass wir uns nach Verzehr dieser anstecken können, haben wir vermutlich schon durch unsere Eltern und Großeltern erfahren. Und so wird roher süßer Teig mit Eiern etwa doppelt so oft als problematisch angesehen. Enthält der Teig hingegen keine Eier, sank in den Augen der Befragten auch das Risiko sich zu infizieren.

Geht vom rohen süßen Teig ein Gesundheitsrisiko aus?

40 – 70 % der Befragten gaben an, dass wir uns mit dem Naschen von rohen süßem Teig (ohne/mit Eier) einen Gesundheitsrisiko aussetzen. Hier wurde während der Befragung näher eingegangen: Welche möglichen Gesundheitsrisiken sahen die Befragten?

Als mögliche Gesundheitsrisiken wurden angegeben (401 Befragte, die ein hohes bis sehr hohes Risiko beim rohen süßen Teig ohne Eier angegeben hatten):

  • Magen-/Darmprobleme (35 %)
  • Salmonellen (16 %)
  • Infektion mit Bakterien im Allgemeinen (6 %)
  • Mehl und Backtriebmittel (4 %)
  • Unverträglichkeiten/Allergie (4 %)
  • keine besonderen Risiken (24 %)

Ein sehr diffuses und unsicheres Meinungsbild beim rohen süßen Teig ohne Eier. Und vermutlich geht es dir gerade nicht anders. Vielleicht fragst du dich, was neben Salmonellen ein (weiteres) Risiko sein kann, wenn wir rohe Lebensmittel konsumieren. Und worauf der Beitrag eigentlich hinaus will?

Infektionsquelle rohe Lebensmittel?

Die Befragung war für mich sehr interessant, weil einerseits das Bewusstsein von bakteriellen Infektionen durch Lebensmittel vor allem auf den Salmonellen liegt. Andererseits zeigt die Befragung auch, dass kaum weitere Risiken offen kommuniziert werden oder zumindest nicht bei uns Verbrauchern ankommen. Denn gerade Bakterien, die zum Beispiel Durchfallerkrankungen auslösen, sind bei unserer täglichen Nahrung ein wichtiger Faktor. Neben Salmonellen gibt es weitere Bakterien, die uns gefährlich werden können. Welche das sind? Klick dich durch die Bilder.

  • Rohe Lebensmittel und Krankheitserreger
  • Rohe Lebensmittel und Krankheitserreger

Salmonellen kanntest du vermutlich, nachdem wir sie in diesem Beitrag auch schon erwähnt haben. So ging es übrigens auch 98 % der Befragten. Aber wie sah es bei Listerien, Campylobacter oder EHEC aus? Listerien sind Bakterien, die insbesondere in Räucherwaren wie Räucherlachs vorkommen. Daher wird Schwangeren vom Verzehr abgeraten, da eine Infektion das Ungeborenen schädigen kann. Dazu zählen beispielsweise eine Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung. Campylobacter sind besonders interessant, da sie in Deutschland mit Abstand den größten Teil an Lebensmittelinfektionen ausmachen. Häufig sind sie auf Hühnerfleisch zu finden.

Quelle: BfR-Verbrauchermonitor 2023 | Spezial “Rohe Lebensmittel”

Mein Augenmerk liegt im letzten Teil dieses Beitrags aber auf den enterohämorrhagischen Escherichia coli, die kurz einfach EHEC genannt werden. Vielleicht kannst du dich noch vage an den großen Ausbruch 2011 in Norddeutschland erinnern, bei dem sich mehr als 4.000 Menschen durch verunreinigten Bockshornkleesamen infiziert hatten. Etwa 10 % der Befragten des BfR-Verbrauchermonitors brachten EHEC mit Sprossen in Verbindung. Weitaus weniger Menschen konnten weitere Infektionsquellen wie Rohmilchprodukte, rohes Fleisch oder – ja! – rohen süßen Teig nennen.

Wie infizieren wir uns… mit EHEC?

EHEC, das sind die Bakterien, mit denen ich mich während meiner Doktorarbeit ausgiebig befasst habe. In den nächsten Wochen wird es ein umfassendes Spezial zu EHEC und auch meinem Forschungsthema geben. Heute soll eine kurzes EHEC-Portrait reichen, damit du ein erstes Gefühl für diese Bakterien bekommst.

Natürlicherweise kommen EHEC bei Wiederkäuern wie Rindern, Schafen oder Ziegen vor. Während EHEC ohne Symptome im Magen-Darm-Trakt der Wiederkäuer leben, sind wir nach einer EHEC-Infektion gebeutelt: in leichten Fällen treten Durchfälle auf, die bei viele Patienten jedoch blutig werden können und in Extremfällen sogar die Nieren schädigen können. Läuft es ganz schlecht für den Infizierten, können sie sogar an einer EHEC-Infektion sterben.

Wir infizieren uns daher vor allem mit EHEC bei rohen Lebensmitteln, die von Wiederkäuern stammen oder mit ihnen in Berührung kommen. Dazu zählen:

  • Rohmilchprodukte
  • rohes Fleisch
  • gedüngte Lebensmittel wie Salate
  • verunreinigtes Trinkwasser
  • Mehl

Ja, du liest richtig! Während wie vor allem rohe Eier in Lebensmitteln im Kopf haben, ist es auch das Mehl, das problematisch werden kann. Immer häufiger wurde EHEC in Mehl oder rohem Teig (auch industriell gefertigtem Cookie Dough) nachgewiesen. Daher wird uns Verbrauchern mit Verbraucherhinweisen auf den Verpackungen dazu geraten, Rohmilch und Teige vor dem Verzehr gut zu erhitzen. In der Befragung gaben aber beispielsweise nur 1/3 an, diese Verbraucherhinweise überhaupt zu kennen.

Was bedeuten rohe Lebensmittel für mich als Verbraucher? Und was kann ich machen?

Wenn ich dir jetzt die Lust auf Teignaschen verdorben habe (ein Glück kommt dieser Beitrag erst nach Weihnachten 😉 ), dann habe ich nur halbwegs ein schlechtes Gewissen. Denn was die Befragung vor allem zeigt, ist, dass wir uns möglicher Gefahren durch rohe Lebensmittel nur teilweise bewusst sind. Dass wir Salmonellen auf dem Schirm haben ist ein guter Anfang. Doch ich als Mikrobiologin möchte natürlich noch viel mehr Aufmerksamkeit für die Bakterien stiften, die uns umgeben.

Daher gibt es zum Ende des Beitrags konkrete Ideen an die Hand, mit denen du dein persönliches Risiko einer Infektion mit EHEC – und natürlich auch den anderen Übeltätern – minimieren kannst:

Zusammengefasst

  • keine rohen Lebensmittel verzehren, da das Risiko sehr hoch ist, dass wir uns mit Krankheitserregern infizieren
  • rohe Lebensmittel sind beispielsweise Rohmilch, Rochmilchweichkäse, Räucherfisch, Hackfleisch/Tartar/Mett, Rohwurst, auch rohe süße Teige mit/ohne Eier (im Mehl können z.B. EHEC sein!)
  • rohe Lebensmittel immer vollständig durcherhitzen (am besten auch Burgerpattys)
  • mögliche Krankheitserreger sind: Salmonellen, Campylobacter, Listerien oder EHEC
  • jeder kann das Risiko minimieren: Hände waschen (besonders nach dem Besuch im Streichelzoo!), rohe Lebensmittel durcherhitzen, Salat gründlich waschen, keinen rohen Teig naschen (auch Teig OHNE Eier)

Quellen

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