Zuletzt aktualisiert am 10. Februar 2024 von Isabell
„Warum sind Essigsäurebakterien in Kosmetika vorhanden?” oder: Was ist eigentlich Bio-Cellulose?
Wir sind im Wissenschaftsjahr 2022 mit einer Reihe wundervoller Formate, um den Kontakt zwischen der Wissenschaft und beispielsweise Schülern herzustellen. Bereits Anfang des Jahres hatte ich bei „I’m a Scientist“ mitgemacht.
Im September dann durfte ich erneut dabei sein und Schülern ihre vielfältigen Fragen zum Thema „Infektion“ per Chat beantworten. Es macht wirklich unglaublich Spaß zu sehen, welche Gedanken und Fragen sie in dem Alter zu Erkrankungen und Krankheitserregern umtreibt.
Eine Frage allerdings hat mich unerwartet „getroffen“ – warum gibt es Kosmetika mit Essigsäurebakterien? Ja, puh! Gute Frage! Mein erster Gedanke war, dass durch die produzierte leichte Säure Hauterkrankungen behandelt werden könnten.
Aber dass sich Essigsäurebakterien in Kosmetika befinden (oder Produkte von ihnen?), da klingelte nichts in meinem Kopf. Mein Entdeckergeist war entfacht und innerlich notierte ich mir diese Frage sofort.
Lass uns heute also die Frage aufgreifen und schauen, wie Kosmetika und Essigsäurebakterien in Verbindung stehen. Und ich kann dir sagen: Die Frage ist eine wirklich gute und spannende!
Natürliche und umweltfreundliche Kosmetika mit Bio-Cellulose
Es stellte sich heraus, dass mein erster Gedanke vielleicht eine Möglichkeit, aber nicht der eigentliche Nutzen von Essigsäurebakterien in Kosmetika ist. Vielmehr stolperte ich über den Begriff Bio-Cellulose.
Okay, Bio-Cellulose. Das fand ich etwas irritierend, denn Cellulose war bei mir im Kopf als “Stoff aus Pflanzen” abgespeichert. Wenn also Pflanzenbestandteile nicht Bio sind, ja was ist denn dann bitte Bio-Cellulose? Und inwiefern brauchen wir Cellulose in Kosmetika?
Biopolymere als hautfreundliche Alternativen
Meine Recherche bestätigte mich zumindest schon einmal in meiner ersten Annahme: Cellulose wird aus Pflanzen gewonnen. In Kosmetika wird sie verwendet, damit sich die einzelnen Komponenten langfristig „verbinden“, der Geruch eines Produkts besser auf der Haut bleibt oder ein Film auf Haut, Haaren oder Nägeln gebildet wird.
Cellulose zählt zu den Biopolymeren. Das sind beispielsweise Proteine (wie Collagen, Weizenprotein) oder Polysaccharide (Cellulose, Hyaluronsäure), die in Kosmetika die Spannkraft der Haut, das Aussehen oder den Feuchtigkeitsgehalt verbessern sollen.
Diese Biopolymere sind als bio-basierte Alternative zu Komponenten auf Erdölbasis beliebt, da sie als hautfreundlich eingestuft werden. Ihre nicht biologisch abbaubaren Kollegen hingehen haben schon vielfach gezeigt, dass sie die Schutzfunktion der Haut herabsetzen oder gar giftig sind.
Daher ist gerade in den letzten Jahren der Bedarf an natürlichen, umweltfreundlichen Kosmetika gestiegen.
Bio-Cellulose als praktische Cellulose-Form
Kommen wir zurück zur Bio-Cellulose, bei der es sich nicht um Cellulose aus Pflanzen handelt. Vielmehr entsteht die Bio-Cellulose durch Bakterien und wird als praktische Cellulose-Form gehandelt.
Denn gegenüber der pflanzenbasierten Cellulose ist sie leichter aufzureinigen (hat also weniger Nebenbestandteile) und ist zudem relativ einfach zu produzieren. Noch dazu zeigt sie extrem praktische Eigenschaften.
Mittlerweile kann Bio-Cellulose, (engl. Bacterial Nanocellulose, BNC) in der Kosmetik, aber auch in der Nahrungsmittelindustrie sowie pharmazeutischen Produkten angewendet werden. Warum? Schauen wir uns die Eigenschaften von Bio-Cellulose mal genauer an.
Warum Bio-Cellulose so praktisch ist
Ohne Frage, Cellulose aus Pflanzen ist unglaublich praktisch und ist das am häufigsten verwendete Biopolymer weltweit. Wie aber schon erwähnt, stellen vorhandene Pflanzenfaserreste ein Problem dar. Außerdem wächst nicht jede Pflanze gleich, sondern in “ungeordneter” Form, was ein einheitliches Produkt schwer umsetzbar macht.
Hier bietet die Bio-Cellulose definitiv Vorteile. Die Cellulose, die durch Bakterien gebildet wird, zeigt eine sehr gleichmäßige Struktur mit kleinen Poren. Da Pflanzenfaserreste fehlen, ist die gebildete Cellulose sehr rein.
Dazu kommen noch unglaublich praktische Eigenschaften:
- Bio-Cellulose bindet Wasser in großen Mengen (für Kosmetika, die Feuchtigkeit zuführen sollen, sehr nützlich)
- bei hohen Temperaturen ist sie sehr stabil, was sie sehr interessant für medizinische Produkte macht
- sie ist reißfest, auch im nassen Zustand
- sie ist sehr biokompatibel, das Abstoßen durch unseren Körper ist sehr gering (wie beispielsweise auch bei Silikon, weswegen dieses in Medizinprodukten gern eingesetzt wird)
- Bio-Cellulose kann als Gel oder Kügelchen verwendet werden
Wie wird Bio-Cellulose gebildet?
Jetzt denkst du dir vielleicht, dass das ja alles schön und gut und zudem wirklich interessant ist. Aber wie diese jetzt entsteht und warum sie umweltfreundlicher sein soll, das habe ich dir bisher noch verschwiegen.
Also, im Prinzip brauchen wir für die Produktion von Bio-Cellulose gar nicht viel. Man nehme:
Harmlose Essigsäurebakterien + Nährmedium + Temperaturen zwischen 25 und 30 °C = Bio-Cellulose
Um saubere Bio-Cellulose zu erhalten, die großtechnisch hergestellt wird, benötigen wir einen Bioreaktor. Das ist ein großer Edelstahlkessel, in dem die Bakterien durchgängig überwacht wachsen und unser Produkt bilden können.
In diesen Bioreaktor wird die Temperatur konstant gehalten und neue Nahrung regelmäßig zugefügt. Die Bakterien geben dann permanent die gebildete Cellulose in die Umgebung ab.
Am Ende, wenn die Bakterien vollkommen erschöpft sind und unsere Cellulose gebildet haben, nehmen wir die Masse im Bioreaktor und entfernen alles, was nicht Bio-Cellulose ist. Das ist verhältnismäßig einfach, weil sich unsere Cellulose außerhalb der Bakterienzellen befindet.
Diese wird dann gereinigt und kann dann weiterverarbeitet werden, je nachdem was wir brauchen.
Wir nutzen einen natürlichen Syntheseweg der Essigsäurebakterien
Die Produktion von BNC ist ein typisches Beispiel für eine biotechnologische Anwendung. Wir nutzen hier harmlose Essigsäurebakterien und einen Syntheseweg, den die Bakterien eh nutzen.
Dieser Vorgang kann durch die Zugabe bestimmter Zucker verbessert werden. Durch die guten Bedingungen, in denen die Bakterien wachsen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass unser Produkt in großen Mengen gebildet wird.
Dieser natürliche Syntheseweg der Essigsäurebakterien wird auch beim Kultgetränk Kombucha genutzt. Die geleeartige Masse im Getränk ist Bio-Cellulose, die durch die Bakterien gebildet wurde!
Bio-Cellulose ist eine geleeartige Masse
Wie aber sieht Bio-Cellulose nun eigentlich aus?
Im Prinzip kannst du es dir wie festere Götterspeise/Wackelpudding vorstellen, nur eben viel stabiler und reißfester. Wir können daraus Gele herstellen oder die Cellulose zu Kügelchen formen, was die Anwendung in Kosmetika vielleicht schon vermuten lässt.
Wie Bio-Cellulose in Kosmetika verwendet werden kann
Weiter oben haben wir schon gesehen, wofür Cellulose in kosmetischen Produkten verwendet wird: damit Cremes sich nicht in ihre einzelnen Komponenten auftrennt, damit ein Film auf unserer Haut gebildet wird oder der Geruch des Produkts auf unserer Haut verweilt.
Die Anwendung von Bio-Cellulose ist wegen ihrer Eigenschaften derzeit etwas anders. Allerdings muss hier schon erwähnt werden, dass die Forschung und Anwendung von Bio-Cellulose noch ziemlich am Anfang ist.
Derzeit gibt es bereits Produkte, die Bio-Cellulose enthalten und auf dem Markt zu kaufen sind. Ihre Auswahl ist aber sehr überschaubar.
Bio-Cellulose als Alternative zu Mikroplastik
In vielen Produkten, wie etwa Shampoos, Zahnpasten oder Peelings, sind kleine Schleifpartikel aus Mikroplastik zugesetzt. Für diese Kügelchen wird oft das erdölbasierte Polyethylen verwendet.
Die Bio-Cellulose kann getrocknet und dann Kosmetikprodukten zugesetzt werden. In Verbindung mit Flüssigkeit bilden sich daraus kleine Kügelchen. Forschungen zu Bio-Cellulose aus Bakterien als Kügelchen hat gezeigt, dass die Festigkeit der Kügelchen variiert werden kann durch die Kultivierung der Bakterien im Bioreaktor.
Als Stabilisator in Lotionen
Stabilisatoren sind heute größtenteils synthetische Tenside. Das Problem an der Sache: sie sind häufig toxisch, umweltschädlich und zeigen meist auch noch eine problematische Wirkung auf unsere Haut.
Dadurch, dass die Form der Bio-Cellulose beeinflusst werden kann, wird dadurch auch die Funktion im kosmetischen Produkt geformt und bestimmt. BNC scheint dabei der Funktion der bisherigen Stabilisatoren gerecht zu werden.
Anwenderfreundliche Alternative zu bisherigen Cellulose-Produkten
Cellulose wird beispielsweise in Gesichtsmasken eingesetzt. Also die Gesichtsmasken, die wir uns als Tuch (mit Aussparungen), getränkt mit Pflegestoffen, aufs Gesicht legen können.
Es gibt Gesichtsmasken (auch schon auf dem Markt erhältlich), die durch die Bio-Cellulose einerseits reißfester im nassen Zustand werden. Andererseits sind diese Masken anschmiegsamer und nehmen sich der Gesichtsform besser an. Dadurch können die Wirkstoffe besser an unsere Haut kommen.
Es gibt aber auch noch eine weitere, coole Erweiterung der Masken aus Bio-Cellulose. Wir erinnern uns: Die Bio-Cellulose hat eine regelmäßige Struktur mit kleinen Poren (also Löchern). In diesen Poren können aktive Substanzen oder Enzyme eingelagert werden.
Bio-Cellulose als Träger von aktiven Substanzen
Unter aktiven Substanzen in Kosmetika verstehen wir solche mit anti-allergischen, anti-entzündlichen, Anti-Aging, feuchtigkeitsspendenden oder selbst bräunenden Eigenschaften.
Diese Substanzen mit einer Gesichtsmaske zu vereinen kann helfen, das Hautbild zu verbessern oder auch leichte Hauterkrankungen zu behandeln (noch Zukunftsmusik).
Eine weitere Substanz können Enzyme sein, wie z.B. Bromelain oder Papain in Enzympeelings. Das Problem hier: Die Enzyme sind nicht besonders lang stabil bei Raumtemperatur und verlieren daher bei zu langer Lagerung ihre Aktivität.
Kombiniert mit der Gesichtsmaske aus BNC könnten diese Enzyme in den Poren stabilisiert werden, sodass sie länger aktiv sind. Leider ist die Forschung dazu derzeit kaum vorhanden. Denn einer der größten Nachteile der Cellulose von Bakterien sind derzeit die hohen Produktionskosten.
Cellulose von Bakterien bisher als Nischenprodukt
Das Forschungsfeld der Bio-Cellulose ist bisher kaum erforscht und eine Nische. Die biotechnologische Produktion von Cellulose durch harmlose Essigsäurebakterien klappt mittlerweile sehr gut und die Forschung der letzten Jahre hat die Produktion deutlich verbessert.
Da aber die Nachfrage (bisher) scheinbar noch nicht ausreichend groß ist und die Produkte mit Bio-Cellulose als hochpreisige Produkte verkauft werden, ist diese umweltfreundliche Alternative bisher noch sehr teuer.
Essigsäurebakterien und Kosmetik im Überblick
Was haben Essigsäurebakterien und Kosmetik miteinander zu tun?
Wir können festhalten, dass Essigsäurebakterien indirekt etwas mit unserer Kosmetik zu tun haben können. Denn wir können diese harmlosen Bakterien nutzen, um die geleeartige Bio-Cellulose zu bilden, die dann in kosmetischen Produkten genutzt werden kann.
- Bio-Cellulose ist ein natürliches Produkt aus Bakterien, das eine Alternative zu erdölbasierten Komponenten sein kann
- Cellulose wird in der Kosmetik eingesetzt, um eine geschmeidige Textur zu erhalten, die einen Film auf unserer Haut oder den Haaren bildet und den Geruch des Produkts auf unserer Haut bewahrt
- Bio-Cellulose hat ziemlich coole Eigenschaften: gleichmäßige Struktur und kleine Poren, sehr robust, bindet viel Wasser, stabil bei hohen Temperaturen, kann als Gel oder Kügelchen genutzt werden
- die Produktion ist umweltfreundlich, da keine Chemikalien und hohen Temperaturen notwendig sind; die Abfallprodukte sind nicht giftig
Ist dir schon mal ein Produkt mit „BioCellulose“ als Inhaltsstoff aufgefallen? Würdest du diese Produkte kaufen?
Im nächsten Beitrag zeige ich dir noch eine coole Anwendung, die wir Bakterien zu verdanken haben.
Alles Liebe
Isabell
Literatur:
- Almeida et al. (2021) – Bacterial Nanocellulose toward Green Cosmetics
- Stasiak and Blazejak (2009) – Acetic acud bacteria – perspectives of application in biotechnology