Was Ist: Bakterielle Toxine – 5 Faszinierende Beispiele

Bakterielle Toxine sind verantortliche für eine Reihe von bakteriellen Infektionskrankheiten. Was sind Toxine? Wie wirken sie?
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Zuletzt aktualisiert am 16. Juli 2022 von Isabell

Was haben die Infektionskrankheiten Diphtherie, Keuchhusten, Cholera, Milzbrand, Botulismus, Tetanus und Lungenentzündungen gemeinsam?

Neben der Tatsache, dass es Krankheiten sind, die allesamt durch Bakterien verursacht werden, eint sie aber noch eine weitere, interessante Eigenschaft: diese Krankheiten entstehen durch den Einfluss von Giftstoffen. Diese sogenannten Toxine werden durch die Bakterien selbst gebildet und richten mitunter erheblichen Schaden im menschlichen Körper an.

Daher wollen wir heute klären:

Was sind bakterielle Giftstoffe/Toxine?
Welche Wirkung haben sie auf unseren Körper?
Wie entstehen diese Infektionskrankheiten?

Wie alles begann: Das erste Toxin wird entdeckt

Bereits im 19. Jahrhundert entdeckten und isolierten Émile Roux und Alexandre Yersin, zwei französische Bakteriologen am Institut Pasteur in Paris, das erste Toxin – das Diphtherietoxin. In ihrem Institut wurde bereits fünf Jahre zuvor ein Bakterium isoliert und kultiviert, das für die Infektionskrankheit Diphtherie verantwortlich ist. Diphtherie ist eine Erkrankung der oberen Atemwege und wird durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae ausgelöst.

Zunächst beginnt Diphtherie mit einer einfachen Angina und kann sich rasch zu einer lebensbedrohlichen Form weiterentwickeln. Charakteristisch sind Beläge im Rachenraum, die die Atemwege einengen. Dadurch wird das Atmen erschwert. Lebensbedrohlich wird die Erkrankung dann, wenn C. diphtheriae in den Blutkreislauf einwandert und das Diphtherietoxin bildet. Dieses Toxin sorgt dafür, dass die Muskulatur erschlafft, was besonders bei der Herz- und Atemmuskulatur gefährlich werden kann.

Diphtherie kommt weltweit vor, betrifft nur den Menschen und wird durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Durch die Impfung gegen Diphtherie sind die Infektionszahlen seit Jahren rückläufig.

Toxine sind primäre Virulenzfaktoren vieler Bakterien

Was aber sind bakterielle Toxine? Einfach gesagt sind es lösliche Substanzen, die von Bakterien gebildet werden, um den Stoffwechsel einer Wirtszelle zu verändern. Es kommt zu schädlichen Folgen für den Wirt.

Betrachten wir das mal kurz genauer:

  • Was? Ein (Gift-)Stoff, der von Bakterien gebildet wird
  • Wo? Toxine wirken auf die Wirtszelle
  • Was? Schädliche Folgen für den Wirt
  • Wie? Zerstörung der Wirtszelle
  • Warum? Damit Bakterien sich weiter ausbreiten können

In erster Linie produzieren Bakterien also diese Toxine, um sich zu schützen und ihr Überleben zu sichern. Durch den Einsatz der Toxine sind sie in der Lage, die Wirtszelle zu zerstören, um ggf. weiter in tiefere Gewebeschichten vorzudringen und sich dort zu vermehren.

Dabei gibt es nicht nur ein Toxin und nicht jedes Toxin zeigt dieselbe Wirkungsweise. Vielmehr gibt es auch hier eine große Vielfalt, wie wir es von den Bakterien bereits gewohnt sind.

5 Arten von bakteriellen Toxinen

Wie bereits erwähnt, gibt es nicht das eine Toxin mit genau der einen schädlichen Wirkung auf die Wirtszelle. Dennoch kann die Vielzahl der Toxine in grob fünf Gruppen eingeteilt werden: Toxine, die Poren formen; die Proteinherstellung beeinflussen oder gar stoppen; die wirtszelleigene Proteine angreifen; die auf Nerven wirken und die, die direkt das Immunsystem des Wirtes angreifen.

Bevor wir starten, denke einen kurzen Moment über folgende Frage nach:

In welche Gruppe fällt jeweils das Toxin hinter diesen Infektionskrankheiten?
Diphtherie – Cholera – Gasbrand – Botulismus – Tetanus

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Toxine, die Löcher in die Wirtszelle “zaubern”

Toxine dieser Gruppe nutzen wirtszelleigene Substanzen der Zelle, z.B. Cholesterol, um mit diesen in Verbindung zu treten oder sie gar herauszulösen. Die Folge ist quasi eine Durchlöcherung der Zelle, mit der Folge, dass die Zelle abstirbt.

Diese Zellzerstörungen können dabei an ganz unterschiedlichen Orten innerhalb des menschlichen Körpers auftreten. So greift das Toxin von Clostridium perfringens, das Perfringolysin, bevorzugt Gewebe an und zersetzt diese sehr schnell. Die Folge sind absterbende Hautbereiche, die sich so weit ausbreiten können, dass eine Amputation notwendig werden kann. Diese Erkrankung wird als Gasbrand bezeichnet.

Ähnlich verhält es sich mit dem Streptolysin von Streptococcus pyogenes. Auch hier sind besonders Weichteile infiziert und werden durch das Toxin zersetzt. Die Folge: nekrotisierende Fasziitis, also eine Entzündung des Fasergewebes zwischen den Muskeln mit absterbenden Zellen.

Beispiele:

  • Clostridium perfringens – Perfringolysin – Gasbrand
  • Streptococcus pneumoniae – Pneumolysin – Lungenentzündung
  • Streptococcus pyogenes – Streptolysin – nekrotisierende Fasziitis

Toxine, die die Proteinherstellung beeinflussen

Nicht nur die Zerstörung der Zelle, sondern auch die Blockierung der Produktion neuer, wichtige Proteine für die Zelle führt über kurz oder lang zu einer indirekten Schädigung von Wirtszellen.

Dafür müssen diese Toxine mithilfe ihrer Struktur an einen bestimmten Rezeptor der Wirtszelle andocken, um dann nach erfolgreicher Aufnahme im Inneren der Zelle die Proteinherstellung zu stoppen. Je nach Toxin geschieht das an verschiedenen Stellen innerhalb der Proteinfabrik.

Damit in Zellen neue Proteine hergestellt werden können, benötigt die Zelle folgende Komponenten:
Die mRNA zum Ablesen der Information (welches Protein soll eigentlich hergestellt werden?), die tRNA (dient als Vermittler, da sie erkennt, welche Aminosäure benötigt wird und die Aminosäure bereitstellt) und die Ribosomen (sie ermöglichen die Produktion der Aminosäurekette, aus der dann später das Protein wird).

Toxine hätten hier theoretisch verschiedene Möglichkeiten, um die Proteinsynthese zu unterbinden. Viele Toxine greifen in die Arbeit der Ribosomen ein.

So zum Beispiel das Diphtherietoxin, das erste und bisher beste untersuchte Toxin. Das Diphtherietoxin greift dabei nicht direkt am Ribosom an. Es blockiert einen Stoff, der zur Kettenverlängerung des Proteins benötigt wird. Durch diese Blockierung bleibt die bestehende Kette an Ort und Stelle und es werden keine neuen Aminosäuren angehängt. Das Protein kann nicht gebildet werden.

Andere Wirkungsweisen sehen wir etwa hier:

  • Pseudomonas – Exotoxin A – wirkt direkt auf die Ribosomen, sodass die mRNA nicht mehr abgelesen werden kann
  • EHEC – Shigatoxin – die Ribosomen werden funktionsuntüchtig gemacht, sodass die Translation/Proteinherstellung blockiert wird; letztendlich stirbt die Zelle ab

Toxine, die wirtseigene Proteine angreifen

Eine weitere Möglichkeit, im menschlichen Körper Schaden anzurichten. Werden zum Beispiel wichtige zelleigene Proteine wie etwa Transportproteine oder Proteine des Zellskeletts angegriffen, äußert sich das in den typischen Symptomen dieser Krankheiten wie etwa Durchfall (Cholera) oder starker Husten (Keuchhusten).

Das Choleratoxin verändert die Konzentration eines bestimmten Moleküls (cAMP) innerhalb der Zellen. Dieses Molekül ist für die Signalweiterleitung innerhalb der Zellen wichtig. Ist das Gleichgewicht gestört, kommt es zu unkontrollierten Reaktionen. Bei Cholera wird die Konzentration dieses Moleküls erhöht, wodurch der Körper mit der Ausscheidung von Chlorid-Ionen reagiert. Erkrankte merken dies dadurch, dass der Körper Wasser in großen Mengen nach außen befördert. Starker Wasserverlust durch immensen Durchfall ist die Folge.

Zwei weitere Toxine arbeiten auf ähnliche Weise. Sie wirken als anti-entzündliche und anti-phagozytotische Stoffe auf den Körper, wodurch die Immunabwehr des Wirtes herabgesetzt wird. Sie werden also nicht so stark durch den Körper bekämpft und die Bakterien können sich besser im Körper ausbreiten.

Zu diesen beiden letzten Toxinen zählen

  • das Pertussistoxin – von Bordetella pertussis gebildet – Keuchhusten
  • der Edema Factors von Bacillus anthracis – Milzbrand (Anthrax)

Toxine, die die Nerven angreifen

Besonders tückische Toxine sind solche, die die Strukturen der Reizweiterleitung angreifen. Um genauer zu sein, die Synapsen unserer Nerven.

Das Bakterium Clostridium tetani bildet das Tetanustoxin, ein Neurotoxin, das an bestimmten Rezeptoren der Nervenzellen andockt. Im Körper sorgt es dafür, dass die Ausscheidung von Neurotransmittern unterbunden wird. Diese Neurotransmitter werden benötigt, um die Signalweiterleitung zwischen Nervenenden über den synaptischen Spalt zu ermöglichen.

Ist die Signalweiterleitung unterbrochen, kommt es im Falle einer Tetanusinfektion (nach einer Verletzung) zu Muskelkrämpfen. Je mehr Bakterien vorhanden sind, um das Tetanustoxin zu bilden, umso stärker werden diese Krämpfe werden. Daher muss die Wunde schnellstmöglich chirurgisch versorgt und die Ausbreitung der Bakterien mit einem Antibiotikum unterbunden werden.

Bereits an Nervenzellen gebundenes Tetanustoxin kann nicht vom Körper allein entfernt werden. Vielmehr werden dem Patienten Antikörper gegen das Tetanustoxin gegeben, sodass die schädlichen Toxine entfernt werden können.

Ein weiteres Beispiel für ein, besonders für Säuglinge, schädliches Neurotoxin ist das

  • Botulinum Neurotoxin, das von Clostridium botulinum gebildet wird (Botulismus)

Bakterielle Superantigene, die direkt auf die Zellen des Immunsystems wirken

Eine letzte, große Gruppe von bakteriellen Toxinen sind die sogenannten Superantigene. Sie werden Superantigene genannt, da sie direkt und ohne Umwege mit Zellen des Immunsystems in Interaktion treten und zu einer enormen Aktivierung der weißen Blutkörperchen sorgt. Sie sind eines der stärksten Gifte von Bakterien.

Die Folge ist, dass der Körper eine übermäßige Menge an Zytokinen ausschüttet. Zytokine werden benötigt, um bestimmte Abwehrzellen des Immunsystems zu aktivieren und so z.B. bakterielle Infektionen einzudämmen. Werden zu viele Zytokine auf einmal freigesetzt, kann es zu einem tödlichen Schock kommen.

Nach einer Überaktivierung des Immunsystems (und wenn der Schock nicht zum Tod geführt hat), kommt es nach Abklingen zu einem regelrechten “Dämmerschlaf” der Abwehrzellen. Die Immunabwehr ist dann so stark heruntergeregelt, dass die Eindringlinge nicht mehr ausreichend bekämpft werden.

Scharlach, eine typische Kinderkrankheit mit der charakteristischen “Himbeerzunge”, ist ein Beispiel für solche Superantigene. Ausgelöst wird Scharlach durch Streptolysin, das von Streptokokken produziert wird. Erkrankte haben neben der typischen Rötung der Zunge auch Erhebungen auf dieser. Beschrieben wurde die Krankheit bereits um 400 v. Chr.

Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten die amerikanischen Bakteriologen Gladys und George Dick die Infektionskrankheit Scharlach, nachdem sie freiwillige Patienten mit Streptokokken infizierten.

Die Erreger, Streptokokken, fanden sie in der Wunde einer Krankenschwester, die einen Scharlachkranken pflegte. Durch ihre Untersuchungen im Labor konnten sie einen Giftstoff, das “Scharlachtoxin”, ausfindig machen, dass für die Erkrankung verantwortlich ist.

Ein weiteres, vielleicht noch bekannteres Beispiel für Superantigene ist das Toxic Shock Syndrome Toxin (TSST), das durch das Bakterium Staphylococcus aureus produziert wird. Durch die Verwendung von Tampons häuften sich Fälle vom Toxic Shock Syndrome (TSS), das besonders menstruierende Mädchen und Frauen betraf/betrifft. TSS wurde 1978 erstmalig beschrieben – in der nächsten Woche wird es mehr Informationen zu TSS, auch in Bezug auf die Verwendung von Menstruationstassen, geben.

Wie bakterielle Toxine sinnvoll genutzt werden können

Nach all diesen negativen Informationen rund um Bakterientoxine freut es dich vielleicht zu lesen, dass wir diese Toxine mittlerweile auch zu unserem Nutzen einsetzen können.

Eine der ersten Anwendungen und möglich durch die Entdeckung der ersten Toxins Ende des 19. Jahrhunderts war die Entwicklung von Impfstoffen. Dafür wird ein Bestandteil des Toxins in abgeschwächter Form genutzt und dem Menschen gespritzt. Unser Immunsystem erkennt dieses abgeschwächte Toxin als fremd und wird Antikörper bilden. Diese Antikörper schützen uns bei einer Infektion zuverlässig und helfen, die Erkrankung schnell einzudämmen.

Neugierig, welche weiteren Anwendungen bisher mithilfe bakterieller Toxine ermöglicht wurden?

Hier eine kleine Auswahl:

  • Einige Toxine (z.B. Pertussistoxin) werden genutzt, um Signalwege innerhalb der Zelle besser zu verstehen (da bestimmte Strukturen angegriffen und/oder inaktiviert werden)
  • das Botulinum-Neurotoxin wurde verwendet, um krankhafte Augenbewegungen zu behandeln; heutzutage wird es vor allem als Botox in der Kosmetik genutzt
  • mithilfe des Toxins von Streptokokken (Streptokinase) können bei Schlaganfällen das Blutgerinnsel in Arterien aufgelöst werden
  • zur Herstellung von Antitoxinen (siehe Tetanus) werden abgeschwächte Bakterientoxine genutzt, um die Toxine zu neutralisieren und damit die Erkrankung zu behandeln (z.B. Diphtherie, Tetanus, Botulismus)
  • Toxine können in der Krebstherapie eingesetzt werden, da sie an bestimmten Rezeptoren von Krebszellen andocken und diese abtöten können

Toxine – sie werden gern als Freund und Feind zugleich betrachtet, genauso wie die Bakterien, die diese Toxine produzieren. Wie so oft gibt es nicht nur eine Seite, und wir Menschen haben gelernt, uns diese vermeintlich zunächst negativen Eigenschaften zunutze zu machen.

Zum Schluss dieses Beitrags würde mich interessieren, was du für dich ganz persönlich über Toxine mitnimmst. Lass mir also gern einen Kommentar da.

Das Wichtigste im Überblick

Im nächsten Blogbeitrag wird es dann um das Superantigen des Bakterium Staphylococcus aureus gehen, dem sogenannten Toxic Shock Syndrome Toxin. Vielleicht ist es dir beim Thema Tampons schon begegnet. TSS steht oft im Zusammenhang mit der Verwendung von Tampons. Ob durch Menstruationstassen ebenfalls TSS ausgelöst werden kann, werde ich im nächsten Beitrag beleuchten.

Ich freue mich also, dich in den nächsten Tagen hier wieder begrüßen zu dürfen.

Alles Liebe
Isabell

Quellen:

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