Zuletzt aktualisiert am 25. Juli 2022 von Isabell
Eigentlich war ich bereits dabei, meinen neuesten Blogartikel zu schreiben – welche Bakterien zu unserer normalen Hautflora gehören. Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ja, wir haben uns den Aufbau von Bakterien angeschaut. Auch, dass sie noch Extras haben können, mit denen sie sich von anderen Bakterien unterscheiden und an ihren jeweiligen Lebensraum anpassen.
Aber das Wichtigste hätte ich dabei fast vergessen: das Aussehen von Bakterien!
Okay, du fragst dich jetzt wahrscheinlich, ob wir das nach meinen Erklärungen vorher nicht schon haben. Und ich sage dir: nein! Es gibt nämlich noch das Aussehen der Bakterien, wenn wir es mal so nennen wollen. Was wir darunter verstehen?
Klein, groß, schmal, dick, kugelig, gebogen, … – die Erscheinungen von Bakterien
Dass ich Bakterien faszinierend finde, das habe ich bisher glaube ich nicht verschwiegen 😉
Wirklich interessant wird es auch, wenn wir uns anschauen, wie unterschiedlich Bakterien aussehen können. Ungefähr so wie wir Menschen. Okay, der Vergleich ist vielleicht etwas weit hergeholt, passt aber im Grundsatz schon.
Schauen wir uns Menschen mal an. Es gibt die sportlichen unter uns, die gefühlt kein Gramm Speck zu viel mit sich rumtragen. Große Menschen und auch die ganz kleinen. Die einen haben längere Arme oder Beine als andere, bei anderen zeigt sich eine besonders weibliche Figur oder eine zum Ankuscheln. Würden wir uns dann noch die weiteren Merkmale wie die Haare, Augenfarbe oder das Gesicht anschauen, wird die Vielfalt nochmal deutlich größer.
Die 5 grundlegenden Formen des Aussehens
Ungefähr so ist es auch bei den Bakterien. Die Vielfalt ist auch hier wirklich groß, aber wir können fünf grundlegende Formen unterscheiden, wie Bakterien aussehen können:
- kugelförmig (Kokkus, Mehrzahl Kokken)
- stäbchenförmig (Bazillus, Mehrzahl Bazillen)
- spiralförmig (Spirillen)
- korkenzieherförmig (Spirochäten)
- fadenförmig (filamentöse Bakterien)
Die kugel- und stäbchenförmigen Bakterien, die Kokken und Bazillen, sind den meisten wahrscheinlich bekannt. In der Tat sind diese Bakterienformen auch die, die am häufigsten (bei uns Menschen) vorkommen.
MRSA gehört zu den haufenförmigen Kokken, den Staphylokokken
Typische Beispiele für Kokken ist zum Beispiel Streptococcus pneumoniae, ein Bakterium, das z. B. eine Mittelohrentzündung bei Kleinkindern auslösen kann. Ein weiterer Vertreter Staphylococcus aureus. Das ist ein Bakterium, was viel Aufmerksamkeit dadurch erlangt hat, dass es kaum noch mit gebräuchlichen Antibiotika behandelt werden kann. Vielleicht kennst du es unter dem Namen MRSA.
Bei diesen beiden Beispielen fällt dir vielleicht auf, dass sie zwar “Coccus” (englisch für Kokken) heißen, aber davor noch jeweils ein weiteres Wort steht: Strepto und Staphylo. Wie es oft so ist: Diese grundlegenden Formen können noch individuell ein bisschen anders aussehen.
Im Falle der Streptokokken sind es kokkenförmigen Bakterien, bei denen sich ganz viele einzelne Kokken zu einer Kette zusammenlagern. Also ungefähr so wie die Perlenketten, die wir von unseren (Ur-)Omas kennen.
Staphylokokken sind dagegen Kokken, die sich zu einem großen Haufen zusammenlagern. Zu diesen Bezeichnungen kam es, nachdem sich die Forscher diese Bakterien nach der Gram-Färbung unter dem Mikroskop angeguckt hatten und sie diese typischen Erscheinungsformen erkannt hatten.
Auch heute noch wird das Erscheinen der Bakterien bei der Gram-Färbung als ein Teil der Diagnostik herangezogen, um den Übeltäter zu überführen.
Auch stäbchenförmige Bakterien zeigen individuelle Formen des Aussehens
Die zweite große Gruppe an Bakterien, die Stäbchenbakterien oder Bazillen, zeigen auch hier eine große Vielfalt an Erscheinungen.
Der typischste Vertreter der Stäbchenbakterien, Escherichia coli (E. coli), ist ein ziemlich durchschnittliches Bakterium. Es kommt der Grundform eines Stäbchenbakteriums sehr nahe. Sollte es mal anders aussehen, dann weil es gestresst ist. Dann kann es vorkommen, dass E. coli eher wie eine Kokke aussieht. Daher spricht man in diesem Fall von kokkoiden Bazillen, also Stäbchenbakterien, die in ihrer Form einer Kokke ähneln.
Eine interessante Erscheinungsform sind Vibrionen, also gekrümmte Stäbchenbakterien. Der mitunter wichtigste Vertreter für den Menschen ist Vibrio chloerae, dem Erreger der Cholera. Bei Cholera handelt es sich um eine hochansteckende Magen-Darm-Infektion. Betroffene haben sehr starke Durchfälle, die stark wässrig und milchig, wie Reiswasser, aussehen.
Spirillen, Spirochäten und filamentöse Bakterien in Umwelt und auch dem Menschen
Die anderen drei Grundformen kommen vergleichsweise seltener vor. Für gewöhnlich finden sich diese Bakterien in Gewässern oder im Boden (Spirochäten). Es gibt aber auch einige Vertreter, die im Menschen vorkommen und dort Erkrankungen auslösen.
Diese Formen haben sich ausgebildet, um besser an die Umgebung angepasst zu sein (wer hätte es gedacht? 😉 ). So zeigen die spiralförmigen Bakterien (Spirillen) eine bessere Bewegung durch dickflüssigere Medien. Ein für den Menschen krankmachender Vertreter ist Campylobacter. Diese können Magen-Farm-Infektionen mit teils blutigen Durchfällen auslösen.
Durch ihre korkenzieherförmige Erscheinung bewegen sich Spirochäten sehr schnell fort. Sie kommen in stehenden Oberflächenwasser vor und haben sich somit hier gut angepasst. Darüber hinaus gibt es aber auch hier Spirochäten, die den Menschen infizieren können. Dazu zählt Treponema pallidum, dem Erreger der Syphilis, das eine sexuell übertragbare Erkrankung ist. Mehr über sexuell übertragbare Krankheiten, die durch Bakterien verursacht werden, erfährst du hier.
Zu den filamentösen Bakterien zählt u. a. Mycobacterium leprae. Es ist der Erreger von Lepra, einer hochansteckenden Infektionskrankheit in tropischen und subtropischen Gebieten.
Und das Aussehen der Bakterien ist noch vielfältiger als gedacht
Bisher haben diese grundlegenden Erscheinungsformen der Bakterien gereicht, um die bekannten Bakterienarten zu beschreiben. Die Globalisierung, der schnelle Austausch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und die besseren Untersuchungsmethoden führen dazu, dass eine immer größere Vielfalt bekannt wird.
Bakterien leben auf dieser Erde bereits eine ganze Weile. Genügend Zeit also, um im Laufe der Zeit die verschiedensten Erscheinungsformen auszubilden.
Kysela und Kollegen haben sich dafür 2016 das Erbmaterial vieler verschiedener Bakterien angeguckt und miteinander verglichen. Damit wollten sie die Entwicklung des bakteriellen Aussehens sowie die Verwandtschaft verschiedener Bakterien untereinander sichtbar machen.
Mit diesem Wissen können neue Erkenntnisse über die Evolution von Bakterien und wie es zu dieser enormen Vielfalt gekommen ist, gewonnen werden.
Welches Aussehen Bakterien haben können? Davon kannst du dich im Bild hier drunter überzeugen. In der Mitte des Bildes siehst du Linien, die die Verwandtschaft der einzelnen Bakterien zueinander darstellt. Das kannst du dir wie den Stammbaum deiner Familie vorstellen. Nur eben noch ein bisschen größer.
Am äußeren Rand des Kreises stehen die Namen der einzelnen Bakterien. Die Bilder, die den Kreis umrahmen, sind die verschiedenen Erscheinungsformen der Bakterien. Schon beeindruckend, oder?
Warum gibt es diese verschiedenen Formen?
Jede Form hat eine biologische Bedeutung. Denn jede Zellform bringt Vorteile mit sich, mit denen sich das Bakterium an – Überraschung – verschiedene Lebensbedingungen anpassen kann. Diese Anpassung wird durch die “Extras”, also z. B. die Behaarung der Bakterien durch Fimbrien oder ein großes Anhängsel zur Fortbewegung, der Geißel, vervollständigt.
Wenn sich Bakterien an ihren Lebensraum anpassen, so sind drei Umweltbedingungen für die Anpassung verantwortlich:
- Nahrungsaufnahme
- Zellteilung (Wachstum)
- Feinde
Was die Nahrungsaufnahme mit der Oberfläche und dem Aussehen der Bakterien zu tun hat
Bakterien sind in der Regel klein. Und das hat auch einen Grund.
Stellen wir uns ein großes Bakterium vor. Große Bakterien haben auch einen großen Appetit. Die Nährstoffe, die sie aufnehmen müssen, um satt zu werden, diese nehmen sie über ihre Oberfläche auf. Die Oberfläche, das ist die Zellwand und die Zytoplasmamembranen, also z. B. der Sack um den Bakterieninhalt.
Nur ist es leider so, dass diese Nährstoffe nicht einfach wie durch einen Trichter in die Bakterien hereinkommen. Vielmehr müssen die Bakterien zur Nahrungsquelle hin und die Nährstoffe werden mühselig über die Zellwand einzeln nach Innen transportiert.
Nun ist es aber so, dass große Bakterien nicht automatisch auch eine viel, viel größere Oberfläche als kleine Bakterien besitzen. Im Vergleich nimmt die Oberfläche nämlich nur ein bisschen zu.
Was heißt das für große Bakterien? Dass die benötigte Menge an Nährstoffe erst nach einer sehr, sehr langen Zeit aufgenommen ist. Also werden mehr Nährstoffe benötigt, als über die Oberfläche aufgenommen werden kann.
Das Oberflächen-Volumen-Verhältnis ist bei kleinen Bakterien besser – oder: Kleine Bakterien werden schneller satt
Anders sieht das bei kleinen Bakterien aus. Hier ist die Oberfläche im Vergleich zum “Inhalt” der Bakterien viel besser. Sprich: Die Nahrung, die für ein kleines Bakterium benötigt wird, ist viel schneller aufgenommen.
Durch die kleine Größe schaffen es Bakterien, dass die vorhanden Nährstoffe optimal verwertet werden und die Zellgröße somit sichergestellt werden kann.
Es gibt auch ein wirklich großes Bakterium, das wir fast mit dem Auge sehen können (es ist fast 1 mm groß!). Das funktioniert nur, weil das Bakterium Speicherstoffe hat, um bei schlechtem Nahrungsangebot trotzdem seinen Hunger stillen zu können.
Die meisten Bakterien sind aber wirklich nicht mit dem Auge zu sehen. Klein sein hat manchmal auch Vorteile.
Von der Not, seiner Nahrung hinterherzujagen
Einen wichtigen Einfluss hat die Nahrungsquelle.
Ist meine bevorzugte Nahrung immer um mich herum vorhanden, brauche ich mich auch nicht zu bewegen. So ist das z. B. oft bei den Kokken, die daher auch keine Anhängsel zur Fortbewegung besitzen.
Muss das Bakterium aber aktiv auf Nahrungssuche gehen, wäre eine Möglichkeit, sich fortzubewegen, definitiv von Vorteil. Eine aktive Fortbewegung ist durch die Geißel, eine Art Ruder, möglich.
Aber mindestens genauso wichtig ist es, mit möglichst geringem Energieeinsatz sein Ziel, die Nahrungsquelle, zu erreichen. Und da kommt das Aussehen der Bakterien ins Spiel.
Die optimale Form zur Fortbewegung sind Stäbchen
Stell dir ein Auto auf der Autobahn vor. Mit möglichst wenig Sprit kommst du von A nach B, wenn sich dein Auto bestmöglich der Luftströmung anpasst. Hier hat das Aussehen deines Autos einen Einfluss darauf, wie viel Sprit es benötigt, um voranzukommen. Große, klobige Autos brauchen mehr Sprit als aerodynamische Autos.
Genauso ist es auch bei Bakterien, nur dass sie sich in Flüssigkeiten fortbewegen. Das Aussehen hat maßgeblich Einfluss darauf, wie leicht Bakterien zur Nahrung kommen. Kokken können das nicht gut. Denn wenn der Durchmesser nur ein bisschen vergrößert wird, so nimmt die Energie, die benötigt wird, um den Faktor 10.000 zu!
Ganz ehrlich, auf die Anstrengung hätte ich als Kokke keine Lust. Sie wären dann vermutlich die ultraschlanken Geschöpfe ohne Gramm Fett. 😉
Es zeigt sich, dass die stäbchenförmigen Bakterien die optimale Form haben, um mit wenig Energie an ihre Nahrungsquelle zu kommen.
Bakterien, Feinde und das Aussehen
Wie fast jedes Lebewesen auf dieser Erde haben auch Bakterien Feinde. Durch ihre Anpassungen haben sie es aber geschafft, diesen Feinden so gut es geht aus dem Weg zu gehen und zu entkommen.
Die Größe von Bakterien kann dadurch auch durch ihre Feinde beeinflusst werden und sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln.
So sind zu kleine oder auch zu schnelle Bakterien in der Lage, ihrem Feind zu entkommen, da sie entweder nicht auffallen (das kann auch bei unserem Immunsystem passieren) oder ihn schlicht einfach abhängen. Genauso haben aber auch größere Bakterien oder lange Bakterien ihre Vorteile. Sind sie zu groß oder zu lang, fällt das gefressen werden schwer. Denken wir da nur an die großen Dinosaurier, wie der T-Rex oder die pflanzenfressenden Dinosaurier mit ihrem langen Körperbau und ihren Schwänzen.
Schutz können sich Bakterien auch geben, indem sie sich zusammenlagern. Das sehen wir etwa bei den Streptokokken, die sich als Ketten formieren, oder bei Staphylokokken, die einen Haufen bilden. Selbst wenn die äußeren Bakterien vielleicht angegriffen werden, so wird es im Inneren welche geben, die einen Angriff überstehen.
Das Aussehen von Bakterien entscheidet über ihren Überlebenserfolg
Die Frage, mit der wir in diesen heutigen Blogbeitrag starteten, war diese: Was hat das vielfältige Aussehen von Bakterien mit ihrem Überlebenserfolg zu tun?
Und die kurze und knappe Antwort darauf ist: Jede Bakterienform hat eine biologische Bedeutung. Durch diese (und ihre Extras) sind sie in der Lage, sich optimal an ihre Lebensumgebung anzupassen, sich zu vermehren und zu überleben.
- es gibt 5 grundlegende Bakterienformen:
- jeder dieser Grundformen kann Besonderheiten aufweisen
- Kokken lagern sich oft paarweise (Diplokokken), zu Ketten (Streptokokken) oder als Haufen (Staphylokokken) zusammen
- Stäbchenbakterien können eher kugelig (kokkoid) oder gebogen (Vibrio) erscheinen
- die Grundformen bei Bakterien, die den Menschen krankmachen können, sind die Kokken und Bazillen
- das Aussehen der Bakterien ist aber noch vielfältiger als gedacht, wie neueste Studien zeigen
- die verschiedenen Bakterienformen gibt es, um sich optimal anzupassen; das Aussehen wird dabei in erster Linie durch die drei Umgebungsbedingungen Nahrungsaufnahme, Zellteilung (Wachstum) und Feinde beeinflusst
Das Aussehen der Bakterien kann nach der Gram-Färbung besonders schön unter dem Mikroskop betrachtet werden. Gib doch mal bei Google Gramfärbung + Staph aureus / E coli / Streptokokken / Vibrio oder Neisseria ein. Nur Gramfärbung + Bakterien reicht meist auch schon, um einige Vertreter (grampositive und gramnegative Bakterien) zu entdecken.
Mit diesen unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie Bakterien aussehen können, sind wir schon gut für spannende bakterielle Themen gewappnet. Im nächsten Beitrag werden wir uns dann mal die Vielfalt der Bakterien auf unserer Haut genauer anschauen.
Alles Liebe
Isabell