Superstars der Darmbakterien – 5 „aufstrebende“ Helden

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Dieser Beitrag ist Teil der Reihe “Im Fokus – Mikrobiom“. Einen Monat lang werden wir wichtige und interessante Bereiche betrachten, die unsere Darmflora betreffen. Was können wir machen, damit sie vielfältig ist? Welche Funktion hat unsere Darmflora?

Den Leitartikel zum Mikrobiom findest du hier: Deine faszinierende Darmflora


Über 160 verschiedene Bakterienarten bevölkern deinen Darm – irgendwie schon schwer sich vorzustellen, oder?

Einige dieser Darmbakterien kennst du vielleicht schon. Es sind gute Darmbakterien wie Escherichia coli oder Milchsäurebakterien, auch Laktobazillen genannt. Doch sie sind nur ein kleiner Teil des großen Ganzen.

Untersuchungen der letzten 20 Jahren gaben und geben immer mehr Aufschluss darüber, wie vielfältig unser Mikrobiom im Darm wirklich ist. Und es zeigt sich, dass es einige „aufstrebende“ Helden unter ihnen gibt, deren Bedeutung für unsere Gesundheit wir erst so langsam verstehen.

5 dieser Superstars der Darmbakterien wollen wir uns heute einmal genauer anschauen. Denn für die nächsten Beiträge ist es wichtig, dass wir uns sowohl die Bakterien, als auch die Gruppen dieser Bakterien etwas genauer anschauen.

Die Einordnung der Darmbakterien

Bakterien gibt es viele auf unserer Erde – das haben wir das ein oder andere Mal schon erfahren dürfen. Um Ordnung in dieses “Chaos” zu bringen, versuchen Forscher schon seit Anfang an, Bakterien zu gruppieren, zu sortieren und den Kindern einen Namen zu geben.

Anfangs, als die Methoden zur Untersuchung noch nicht weit vorangeschritten waren, wurden Bakterien aufgrund ihres Erscheinungsbildes (hier half die Gram-Färbung) und ihrer typischen Stoffwechseleigenschaften gruppiert.

Die Gruppen der Bakterien veränderten sich am laufenden Band. Mit umfangreicherem Wissen und verbesserten Methoden gelingt es immer besser, Bakterien, die sich wirklich ähnlich sind, entsprechend zu gruppieren.

Bakterielle Taxonomie

Dieser “Familienstammbaum” der Bakterien ist wirklich beeindruckend. Bakterien werden vom Großen zum Kleinen einsortiert. Es beginnt mit der Domäne – alle Bakterien gehören zur Domäne der Bacteria. Heutzutage werden Bakterien anhand der genetischen Untersuchungen der 16S rRNA sortiert.

Die 16S rRNA der Ribosomen innerhalb der Bakterien ist seit Anbeginn in allen Bakterien vorhanden, sprich konserviert. Es gibt aber auch Bereiche der 16S rRNA, die variieren können und als Fingerabdruck der einzelnen Bakterien dienen. Anhand dieser Unterschiede werden Bakterien sortiert.

Bakterien, die ähnliche Eigenschaften haben, werden in einem Stamm, dem sogenannten Phylum, zusammengefasst. Wenn wir das Mikrobiom betrachten, dann sind wichtige Phyla die Firmicutes und die Bacteroidetes.

Anschließend werden Klassen unterteilt. Es kann unterschiedliche Klassen innerhalb eines Phylums geben. Hier landen dann Bakterien des Phylums, die einen weiteren Strauß an Eigenschaften gemeinsam haben. Diese teilen sie aber in dieser Zusammensetzung nicht mit anderen Bakterien desselben Phylums.

So wird eine immer feinere Unterteilung vorgenommen, bis wir von der Klasse, Ordnung, über die Familie und Gattung schließlich zur Bakterienart kommen – dem spezifischen Bakterium, zum Beispiel Bifidobacterium bifidum.

Taxonomie der Darmbakterien

Betrachten wir diese bakterielle Taxonomie am Beispiel des guten Darmbakteriums Bifido:

Domäne – Bacteria (Bakterien) Phylum – Actinobacteria Klasse – Actinobacteria (enthält 9 Ordnungen) Ordnung – Bifidobacteriales (enthält eine Familie) Familie – Bifidobacteriaceae Gattung – Bifidobacterium Art – Bifidobacterium bifidum

Die Phyla der Darmbakterien

Es gibt gute Darmbakterien, die aufgrund ihrer für uns positiven Eigenschaften zu unserer Gesundheit beitragen und erst in den letzten Jahren in den Fokus der Mikrobiomforschung getreten sind.

Diese werden Next-generation probiotics genannt, da ihre positiven Effekte scheinbar stärker als die bisher bekannten Probiotika wie etwa Laktobazillen. Von diesen versprechen sich Forscher zum Beispiel einen gezielten Aufbau der Darmflora mit diesen Superstars als neue Probiotika.

Die vier grundlegenden Phyla der Darmbakterien
Quelle: De Filippis et al. 2021

Bisherige Untersuchungen des Mikrobioms zeigen, dass der Großteil der Darmbakterien durch vier Phyla vertreten ist. Dazu gehören die Firmicuten, Verrucomicrobia, Bacterioidetes und Actinobacteria.

Den geringsten Anteil an Darmbakterien machen die Verrucomicrobia aus. Zu ihnen zählt Akkermansia muciniphila, ein Bakterium, das erst 2004 in Rahmen einer Doktorarbeit in den Niederlanden entdeckt wurde. Nach und nach fällt immer mehr auf, wie wichtig dieses Darmbakterium ist.

Etwa 5 – 10 % der Bakterien in unserem Darm sind Actinobacteria, zu denen beispielsweise die Bifidobakterien gehören. Die Bacteroidetes, zu denen Bakterien wie Prevotella und Bacteroides gehören, machen etwa 20 – 25 % unserer Darmbakterien aus.

Der Löwenanteil der Darmbakterien sind Firmicutes. 60 – 65 % gehören zu diesem Phylum und wird durch Bakterien wie Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium hallii oder auch Milchsäurebakterien (Laktobacilli) vertreten.

Bakterienphyla des Darmmikrobioms und typische Vertreter

Über die verschiedenen Phyla Bescheid zu wissen, ist natürlich ganz nett, aber schöner wird es doch, diese fünf Superstars der Darmbakterien nun einmal genauer kennenzulernen. Also, los gehts!

Die 5 heimlichen Stars der Darmbakterien

Akkermansia muciniphila

Akkermansia muciniphila ist ein gramnegatives Darmbakterium, das etwa 3 – 5 % des Mikrobioms ausmacht. Es ist das bisher einzige Bakterium der Verrucomicrobia, das im Labor kultiviert werden kann und wurde erst 2004 entdeckt wurde.

Dieses Bakterium hilft uns unser Glukose-Gleichgewicht zu regulieren (also auch Diabetes zu verhindern), es bremst altersbedingte Verschlechterung von Zellprozessen durch seine Metabolite und fördert somit gesundes Altern.

Seine Hauptaufgabe in unserem Darm ist es, unsere Darmbarrierefunktion zu reparieren. Dies macht das Bakterium, indem es unsere Schleimschicht der Darmwand auffuttert und für seinen eigenen Stoffwechsel nimmt.

Genauer gesagt nutzt es den Bestandteil Mucin der Schleimschicht. Daher kommt auch sein Name: muciniphila bedeutet so viel wie “Mucin liebendes Bakterium”.

Klingt paradox, dass es zerstört, um uns zu schützen? Dachten Forscher anfangs auch. Aber durch den scheinbaren Abbau der Schleimschicht wird die Darmwand zur Neubildung angeregt. Das Ergebnis: Unsere Schleimschicht des Darmes wird dicker und die Darmbarrierefunktion damit verbessert.

Diese positiven Effekte von A. muciniphila versuchen Forscher in einem neuen Präbiotikum aus pasteurisierten Bakterien für eine Behandlung bereitzustellen. Und es sieht so aus, dass dieses Produkt das erste der Next-generation probiotics werden könnte!

Wie wir A. muciniphila auf natürlichem Wege zur Vermehrung verhelfen können? Durch die Aufnahme von Fructo-Oligosacchariden (FOS) oder Polyphenolen. FOS finden wir in Bananen, Roggen, Hafer, Tomaten, Spargeln oder Zwiebeln.

Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe und kommen daher ausschließlich in Pflanzen vor. Also liegst du mit Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkornprodukten richtig. Aber auch dunkle Schokolade und Kaffee zählen dazu 😉

Faecalibacterium prausnitzii

Faecalibacterium prausnitzii ist ein grampositives Bakterium der Firmicutes. Auch F. prausnitzii ist der bisher einzig isolierte Vertreter der Faecalibacterium. Untersuchungen der gesamten DNA des Mikrobioms legen aber nahe, dass es noch mindestens elf weitere von ihm gibt.

F. prausnitzii produziert eine ganze Bandbreite nützlicher Stoffwechselprodukte, die sich positiv auf unsere Darmgesundheit auswirken. Dazu zählen kurzkettige Fettsäuren (SCFA) wie Butyrat, das entzündungshemmend wirkt.

Ist F. prausnitzii nicht in ausreichender Menge in unserem Darm vorhanden, so wird dies oft mit Übergewicht und Entzündungserkrankungen in Verbindung gebracht. Daher wird dieses Bakterium als Anhaltspunkt für die Darmgesundheit (Biomarker) genutzt.

Wenn man weiß, wie viele von diesen Bakterien vorhanden sind, kann abgeschätzt werden, wie gesund die Darmflora ist.

Und wie können wir dieses gute Bakterium fördern? Hier unterstützt eine ballaststoffreiche Ernährung, also ausreichend pflanzliche Bestandteile in seine Ernährung einzubauen, das Wachstum dieses Bakteriums. Die Menge von F. prausnitzii verringert sich allerdings drastisch durch eine nicht ausgewogene Ernährung, durch Rauchen, die Einnahme des Antibiotikums Rifaximin oder Cortisol.

Prevotella copri

Prevotella copri ist ein gramnegatives Stäbchenbakterium aus den Bacteroidetes, das 1990 entdeckt wurde. Es ist ein häufig vertretendes Darmbakterium (etwa 10 %), das keinen Sauerstoff benötigt (obligat anaerob).

Wie A. muciniphila hilft es uns mit seinen Stoffwechselprodukten, dass unser Glukosehaushalt im Gleichgewicht ist. Außerdem verringert es die Anwesenheit von Bakterien der Enterobacteriaceae, du denen auch E. coli gehört, und von denen es auch häufig krankmachende Formen gibt.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen erhöhte Mengen an Prevotella spp. (spp. steht für verschiedene Prevotella-Arten) zu rheumatoider Arthritis führte. Bisherige Untersuchungen legen nahe, dass die Vielfalt an Prevotella in unseren Beitengraden durch die westliche Ernährungsweise im Vergleich zu einer nicht-westlichen Ernährungsweise deutlich eingeschränkter ist.

Ob eine höhere Vielfalt an Prevotella vor entzündlichen Reaktionen schützt, warum dies der Fall sein könnte und warum Prevotella scheinbar zeitgleich gute und negative Auswirkungen auf unsere Darmgesundheit haben kann, wird derzeit noch untersucht.

Eubacterium hallii

Dieses Bakterium der Firmicutes ist ebenfalls ein Stäbchenbakterium, das keinen Sauerstoff benötigt. Es produziert verschiedene SCFA, die die Schutzfunktion des Darms und Darmimmunsystems positiv beeinflusst.

Sie sind außerdem am Cholesterin- und Gallensäurestoffwechsel beteiligt und halten diese so im Gleichgewicht. Ein gestörtes Gleichgewicht von Cholesterin würde zur zunehmenden Arterienverkalkung und somit zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

Bei einem gestörten Gallensäuren-Gleichgewicht können Gallensäure auskristallisieren und sich als Ablagerung oder kleinen Steinchen in der Gallenblase absetzen. Das Risiko für Gallensteine ist durch ein gestörtes Gleichgewicht erhöht.

Bifidobacterium bifidum

Dieses Darmbakterium gehört zu den Actinobacteria und kommt sowohl beim Menschen, als auch bei anderen Säugetieren und Vögeln vor. Es ist eines der ersten Bakterien, das als Neugeborenes unseren Darm besiedelt.

Ebenso wie A. muciniphila ist Bifidobacterium bifidum in der Lage, Mucin zu verstoffwechseln. Wie wir bereits gesehen haben, bedeutet das nicht, dass die Schleimschicht der Darmwand abnimmt, sondern eher zu einer verstärkten Bildung der Schleimschicht führt.

Eine dickere und intakte Schleimschicht wiederum schützt uns besser vor krankmachenden Bakterien. Zusätzlich produziert B. bifidum ein antibakterielles Produkt, das gegen das Pathogen Helicobacter pylori wirkt. H. pylori verursacht Magengeschwüre.

Da es eines der ersten Darmbakterien bei uns ist, trägt es maßgeblich dazu bei, dass unser Immunsystem sich ausbildet und trainiert wird. Außerdem ist B. bifidum anpassungsfähig und bildet besondere Eigenschaften aus, um sich besser an unsere Darmwand anzuheften. Diesen Effekt können wir scheinbar steigern, indem wir fermentierte Lebensmittel zu uns nehmen. Dadurch passt Bifido seinen Stoffwechsel an und mehr dieser Anheftstrukturen werden gebildet.

Wir können B. bifidum durch die Nahrung aufnehmen, indem wir zum Beispiel Milchprodukte wie Joghurt, Kefir oder Buttermilch essen/trinken oder saure Gurken und Sauerkraut. Wichtig ist aber immer, dass wir anschließend Bifido genügend Essen durch Ballaststoffe bereitstellen.

Bifido ist ein kleines, süßes und unglaublich wichtiges Bakterium! Dass wir dieses Bakterium durch unsere Ernährung unterstützen können, können wir bereits unseren Kindern vermitteln. Dafür kann ich dir das zauberhafte Kinderbuch „Bifidos Reise“ ans Herz legen. In meiner Rezension erfährst du mehr über dieses tolle Buch.

Unsere 5 Darmbakterien-Superstars im Überblick

  • Unser Mikrobiom wird hauptsächlich aus diesen Phyla aufgebaut: Firmicuten, Verrucomicrobia, Bacterioidetes und Actinobacteria, die verschiedene Klassen und Bakterienarten beherbergen
  • die Verteilung der vier Phyla ist unterschiedlich:
    Firmicuten – 60-65 %
    Verrucomicrobia – 5 %
    Bacteroidetes – 5-10 %
    Actinobacteria – 20-25 %
  • Diese guten Darmbakterien helfen uns durch ihren Stoffwechsel und die Produkte, die daraus entstehen, dass unser Darm und wir insgesamt gesund bleiben und gesund altern
  • in den letzten Jahren der Mikrobiomforschung haben sich 5 Superstars der Darmbakterien herauskristallisiert:
    • Akkermansia muciniphila, das Bakterium, das unsere Darmbarrierefunktion repariert und aufrechterhält
    • Faecalibacterium prausnitzii, das als Indikator für unsere Darmgesundheit dient und uns vor Diabetes schützen kann
    • Prevotella copri, das unseren Glukosehaushalt im Gleichgewicht hält und uns vor pathogenen Bakterien schützt; seine vollständige Rolle ist aber noch nicht geklärt
    • Eubacterium hallii, ein Darmbakterium, das unseren Cholesterin- und Gallensäurehaushalt reguliert und uns vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gallensteinen bewahren kann
    • Bifidobacterium bifidum, das als eines der ersten Darmbakterien unseren Darm besiedelt, unser Immunsystem trainiert und uns vor Helicobacter pylori (dem Magengeschwür-Bakterium) schützen kann

Es ist wirklich interessant, wie diese kleinen Bakterien uns und unsere Gesundheit positiv beeinflussen und uns sogar vor Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können!

Wichtig ist, dass unsere Vielfalt an Darmbakterien viel größer ist als die fünf hier vorgestellten. Fest steht, dass je größer die Auswahl verschiedener Bakterien im Darm ist, umso gesünder sind wir.

Im nächsten Blogbeitrag schauen wir uns dann genauer an, welche Stoffwechselprodukte (Metabolite) durch unsere Darmbakterien gebildet werden und welchen Einfluss sie auf unsere Gesundheit haben.

Alles Liebe
Isabell

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