Tuberkulose 2022: Die tödlichste Infektionskrankheit – ein aktuelles Problem?

Tuberkulose ist die gefährlichste bakterielle Infektionskrankheit weltweit mit etwa 10 Millionen Neuinfektionen jedes Jahr. Ausgelöst durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis sterben etwa 1,5 Millionen Menschen jährlich an dieser tückischen Erkrankung.
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Dieser Blogbeitrag wurde am 24.03.2024 aktualisiert.

Aktionstage gibt es wie Sand am Meer. Lediglich zwei von ihnen lenken unser Bewusstsein auf Bakterien und die Erkrankungen, die sie auslösen: Lepra und Tuberkulose.

Dabei zählt Tuberkulose weltweit zur tödlichsten Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird! Anlässlich dieses Aktionstages am 24.03.2022 wollen wir uns heute einmal genauer mit Tuberkulose beschäftigen.

In diesem Blogbeitrag soll dir einen groben Überblick über Tuberkulose geben und diese Fragen beantworten:
Was ist Tuberkulose? Gibt es überhaupt Fälle hier in Deutschland? Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation in der Ukraine auf Tuberkulose-Fallzahlen?

Dieser Blogbeitrag begleitet die Podcast-Folge “Welt-Tuberkulosetag am 24.03.2022”, in der ich mit der Expertin und Wissenschaftlerin Dr. Jana Richter von der Londoner Hochschule für Hygiene- und Tropenmedizin sprach.

Tuberkulose – Erreger, Therapie, Fallzahlen & Vorkommen

Mycobacterium tuberculosis – Tuberkelbakterien

Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die zunächst hauptsächlich die Lungen betrifft. Patienten haben einen sehr starken Husten, der mit Auswurf und Blut auftreten kann. Charakteristisch sind zudem Schmerzen im Brustkorb, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß.

Ursache dieser Erkrankung ist das Stäbchenbakterium Mycobacterium tuberculosis, das 1882 vom deutschen Bakteriologen Robert Koch entdeckt und benannt wurde. Umgangssprachlich werden sie auch oft Tuberkelbakterien genannt.

M. tuberculosis ist ein Bakterium mit besonderen Eigenschaften:

  • Sehr (!) langsames Wachstum (bis zu 20 Stunden für eine Teilung)
  • spezieller Zellwandaufbau, der zu einer speziellen Säurefestigkeit (und Widerstandsfähigkeit) führt
  • kann jahrelang vom Immunsystem unentdeckt im menschlichen Körper überleben (durch z.B. maskieren seiner Oberfläche – mehr dazu kannst du hier nachlesen)
  • schwieriger und zeitaufwändiger Nachweis im Labor

Nachweis im Labor

Im Labor werden Proben des (blutigen) Auswurfes (sog. Sputum) des Patienten, Blut sowie Waschungen der Lunge (Lavage) untersucht.

Allgemein ist der Labornachweis schwierig. Dabei werden die Bakterien klassischerweise auf Agarplatten kultiviert. Da Tuberkelbakterien sehr langsam wachsen, dauert dieser Nachweis sehr lang. Durchschnittlich benötigt der Nachweis 1 – 3 Wochen.

Tuberkelbakterien können nicht durch die klassische Gramfärbung angefärbt werden. Denn obwohl sie zu den Stäbchenbakterien gehören, zeigen sie in ihrem Zellwandaufbau eine Besonderheit, sodass die Gramfärbung nicht funktioniert.

Eine Alternative stellt die Ziehl-Neelsen-Färbung (ZN-Färbung) dar, um säurefeste Bakterien nachzuweisen. Durch den speziellen Zellwandaufbau der Tuberkelbakterien kann der Farbstoff zur Färbung mit einer säurehaltigen Lösung nicht entfernt werden. Als Folge bleiben diese Bakterien angefärbt und sind als pinke Stäbchenbakterien unter dem Mikroskop sichtbar.

M. tuberculosis zählt damit zu den säurefesten Stäbchen. Die Besonderheit während der ZN-Färbung kommt durch den speziellen Zellwandaufbau zustande.

Die PCR bestätigt die Diagnose. Auch andere Tests wie zum Beispiel der Tuberkulin-Hauttest sind möglich, aber fehleranfällig bzw. nicht für gegen Tuberkulose geimpfte Menschen geeignet. Hier werden nämlich Strukturen der Tuberkelbakterien (Antigene) nachgewiesen, die bei geimpften Menschen durch den abgeschwächten Erreger der Impfung ebenfalls vorhanden sind. Diese würden aber nicht auf eine aktive Infektion mit Tuberkulose hinweisen.

Fallzahlen, Vorkommen & Übertragung

Todesraten von Tuberkulose weltweit
Todesfälle weltweit durch Tuberkulose im Jahr 2019

In Deutschland infizieren sich jedes Jahr etwa 4000 – 6000 Menschen mit Tuberkulose. Damit zählt Deutschland zu den Ländern mit geringer Infektionsrate. Die Inzidenz, also die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner, liegt in Deutschland bei 5.

Da 70 % der Neuinfektionen in Deutschland bei Migranten diagnostiziert werden, muss die aktuelle Situation in der Ukraine berücksichtigt werden (siehe “Tuberkulose & die aktuelle Situation in der Ukraine”).

Weltweit kommt Tuberkulose vor allem in Ländern mit geringerem Einkommen vor. Dies ist in der Karte oben (Tuberkulose-Todesfälle 2019) gut ersichtlich.

Die WHO nennt auf seiner Seite acht Länder, in denen zwei Drittel aller Neuinfektionen auftreten: Indien, China, Indonesien, Philippinen, Pakistan, Nigeria, Bangladesch und Südafrika. Für 2020 entsprach etwa 6,5 Millionen Neuinfektionen in diesen Ländern zusammen.

Menschen infizieren sich über Tröpfchen mit Tuberkulose. Hier reicht schon eine kleine Menge an Bakterien aus, um sich bei einer infizierten Person anzustecken. Besonders in dicht besiedelten Regionen mit schlechter medizinischer Versorgung ist die Übertragung daher sehr groß. Durch das langsame Wachstum von M. tuberculosis kann zudem eine Tuberkulose-Infektion lange unbemerkt bleiben.

Behandlung & Prophylaxe

Auch wenn Tuberkulose eine tödliche Infektionskrankheit ist, ist sie behandelbar! Allerdings: Die Behandlung ist schwierig und langwierig.

Vier verschiedene Antibiotika werden für die 6-monatige Behandlung eingesetzt. Dabei ist hier die Durchführung kompliziert. Das kommt dadurch, dass die Tuberkelbakterien langsam wachsen und sie sich vor dem Immunsystem erfolgreich verstecken können. Für eine erfolgreiche Behandlung ist es aber wichtig, dass die Therapie durchgängig erfolgt.

Das stellt besonders in Entwicklungsländern wegen der medizinischen Versorgung und der Verfügbarkeit an Antibiotika ein massives Problem dar.

Zudem sieht die Wissenschaft auch für dieses Bakterium eine steigende Zahl an Antibiotika-Resistenzen. Mitunter sind die Tuberkelbakterien bereits gegen mehrere Antibiotika resistent, sodass die Behandlung hier erschwert wird.

Seit 1998 ist die Tuberkulose-Impfung (BCG-Impfung) in Deutschland nicht mehr Teil der Impfempfehlung durch die STIKO. Die geringen Fallzahlen, die geringere Wirksamkeit des Impfstoffes und häufig beobachtete Nebenwirkungen führten zu dieser Entscheidung.

Anfang 2024 wurde eine Erfolgsmeldung rausgegeben: Forscher haben ein neuartiges Medikament in der klinischen Phase 2 zur Behandlung von Tuberkulose mit vielversprechenden Ergebnissen getestet.

Tuberkulose & die aktuelle Situation in der Ukraine

Die Zahl der Neuinfektionen wurde 2020 mit 73 pro 100.000 Einwohnern (Deutschland 5/100.000) angegeben. Damit zählt die Ukraine zu den höheren mittleren Einkommensländern, bei denen eine Tuberkulose-Infektion wahrscheinlicher ist als z.B. bei uns in Deutschland.

Die aktuelle Situation in der Ukraine stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Hier kommen verschiedene Faktoren zusammen:

  • Die medizinische Infrastruktur ist derzeit stark eingeschränkt; der Fokus liegt auf der Behandlung von Verletzten und nicht auf der Detektion von Infektionskrankheiten.
  • Durch die großen Menschenansammlungen in belagerten Städten und bei Menschen auf der Flucht ist eine Übertragung von Tuberkulose deutlich wahrscheinlicher.
  • Länder, die humanitäre Hilfe für ukrainische Flüchtlinge leisten, sollten Tuberkulose im Auge behalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fallzahlen in den Ländern steigen, die Flüchtlinge aufnehmen, ist hoch.

Der Leiter des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria hat erst jüngst auf diesen Umstand in der Ärztezeitung hingewiesen.

Der Globale Fond mit Sitz in Genf, Schweiz, wurde 2002 auf Initiative der G8-Staaten zur Bekämpfung dieser drei Infektionskrankheiten gegründet. Er stellt die Finanzierung nationaler Maßnahmen sowie die Stärkung der Gesundheitssysteme sicher. So wurden als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine Sofortprogramme bereitgestellt, damit die Länder ukrainische Flüchtlinge auf Tuberkulose untersuchen und der Ausbreitung von TB entgegenwirken können.

Weltweite Bekämpfung

2015 erließ die Weltgesundheitsorganisation die Zero TB”- Strategie. Das Ziel ist es, Tuberkulose weltweit bis 2035 zu bekämpfen und auszurotten. Zuvor führte diese Strategie schon zur Ausrottung der Pocken in den 1980er-Jahren. Um dieses optimistische Ziel zu erreichen, sollen folgende Maßnahmen helfen:

  • Die frühzeitige Diagnose
  • Zugang zu Antibiotika für die Therapie
  • Unterstützung der Patienten während der Behandlung
  • Impfung von Risikopatienten
  • besonderer Fokus bei HIV-Patienten
  • Ausbau unterstützender Systeme in den Ländern
  • verstärkte Forschung zur Behandlung von Tuberkulose
  • Einführung neuer Medikamente bis 2025

Zwischen 2016 und 2020 verringerten sich die weltweiten Neuinfektionen um 11 %. Obwohl sich zwischen 2016 und 2020 die weltweiten Neuinfektionen um 11 % verringerten, wurde das Ziel verfehlt. Denn eigentlich sollten etwa 20 % weniger Neuinfektionen im Vergleich zu 2015 auftreten.

Eines der größten Probleme scheint nach wie vor die medizinische Versorgung und Verfügbarkeit der Antibiotika zu sein. Auch die seit zwei Jahren grassierende Pandemie erschwert die Diagnose, Behandlung und Bekämpfung von Tuberkulose.

Tuberkulose im Überblick

Die Abbildung ist interaktiv, sodass du dich durch die Infografik klicken kannst. So bekommst du alle wichtigen Informationen über Tuberkulose auf einem Blick.

Mein Interviewgast – Dr. Jana Richter

Derzeit forscht Jana intensiv als Postdoc an neuen Methoden zur Behandlung von Tuberkulose an der Londoner Hochschule für Hygiene- und Tropenmedizin. Zuvor studierte sie Biotechnologie an der Technischen Universität Braunschweig. Bereits während ihrer Promotion am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) lag ihr Fokus auf bakteriellen Infektionserregern.

Ihre Mission ist es, mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft für Infektionskrankheiten ihren eigenen Teil zur Bekämpfung dieser beizutragen. Mehr Informationen zu Dr. Jana Richter findest du hier.

Mehr Informationen findest du hier

Nano hat am 29.03.2022 einen Beitrag zu Tuberkulose gebracht. Die Sendung kannst du hier anschauen.

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