Es ist kompliziert: Mit meiner Forschungsarbeit die Diagnostik verbessern

Mit einer Forschungsarbeit die Diagnostik verbessern. Mehr als 20.000 Bakterienarten kennen wir derzeit, nicht alle machen uns krank. Den Übeltätern schnell auf die Schliche kommen, das ist die Aufgabe der Diagnostik. Das Problem: Für eine Vielzahl an Bakterien braucht es mehrere Tests – die mal mehr, mal weniger gut den Übeltäter enttarnen. Kann die Forschung die Diagnostik einfacher machen?

Angenommen, rein hypothetisch, dir geht es mit einer Bakterieninfektion miserabel. Es geht dir so schlecht, dass du zum Arzt gehen und dir ein Antibiotikum verschreiben lassen musst. Dann tauchen hier meistens Fragen auf, zum Beispiel:

  • Wie erfährt der Arzt, um welches Bakterium es sich genau handelt?
  • Warum ist es überhaupt wichtig, dass wir das Bakterium mit Namen kennen?
  • Warum dauert es so lang, bis wir ein Ergebnis haben?

Zunächst einmal: Das Ergebnis lässt circa 24 – 48 Stunden auf sich warten. Das hat zwei Gründe: Die Bakterien müssen erstmal wachsen, damit wir sie überhaupt nachweisen können. Bis heute nutzen wir ihr Erscheinungsbild, um sie grob einzusortieren. Die Bakterienmasse setzen wir anschließend ein, um den Erreger eindeutig zu identifizieren – im besten Fall klappt es beim ersten Mal. Manchmal sind jedoch weitere Tests oder weitere Runden nötig.

Schauen wir uns diese Problematik genauer für die enterohämorrhagischen E. coli, kurz EHEC, an. Um EHEC nachzuweisen, gibt es mehrere diagnostische Tests. Der Grund ist einfach und erschreckend zugleich: EHEC sind Meister der Verwandlung.

So versuchen sie sich beispielsweise mit wandelbarer Oberfläche, quasi wie eine Art Mantel, zu tarnen. Wieder andere EHEC sind Gourmets und bevorzugen bestimmte Nährstoffe. Auch wenn sie unglaublich unterschiedlich sein können, sie sind alle EHEC. Bisherige Tests weisen häufig nur eine dieser Eigenschaften nach und erfassen damit nicht alle EHEC.

Stilisiertes Bild eines EHEC-Bakteriums, das Teil einer Forschungsarbeit waren
EHEC, Meister der Verwandlung. Diese Abbildung wurde mit KI erstellt.

Und so wissen wir am Anfang nicht, mit welchem Bakterium wir es zu tun haben. Wird im Falle von EHEC dann zusätzlich noch ein Test verwendet, der genau den einen speziellen EHEC-Typ nicht nachweisen kann, verlieren wir Zeit. Zeit, die der Patient im Zweifelsfall nicht hat.

EHEC: kleine Fieslinge und ein mitunter tödlicher Krankheitsverlauf

EHEC, die fiese Variante unseres guten Darmbewohners Escherichia coli (E. coli), einem der ersten Bakterien in unserem Darm. Bakterien lieben es, neue Eigenschaften aufzunehmen. Im Falle von EHEC sind das beispielsweise Proteine, um besser an der Darmwand zu haften oder Giftstoffe, mit denen sie die Darmwand angreifen. Das Ziel: In den Wirt eindringen und sich ausbreiten.

EHEC-Infektionen verlaufen unterschiedlich – von symptomfreien Infektionen bis blutigen Durchfällen und Nierenversagen ist alles dabei. Besonders häufig sind ältere Menschen und Kinder unter 5 Jahren betroffen.

Die wichtigste Eigenschaft für EHEC, und interessanterweise die einzige, die alle EHEC gleichermaßen besitzen, ist das Shigatoxin. Dieses Shigatoxin, ein Giftstoff mit enzymatischer Funktion, war der Ausgangsstoff meiner Forschungsarbeit.

Mit meiner (ambitionierten) Forschungsarbeit helfen und die Diagnostik vereinfachen

Was meine Forschungsarbeit erreichen sollte?

  • die Diagnostik vereinfachen, indem möglichst nur noch ein Test notwendig ist
  • einen schnelleren und einfachen Nachweis ermöglichen, um die Behandlung anzupassen und KEIN Antibiotikum zu geben
  • ALLE unterschiedlichen EHEC mit einem einzigen Test nachweisen und
  • entscheiden, ob eine aktive Infektion vorliegt (und EHEC tatsächlich der Übeltäter ist)

Ziemlich zahlreiche und ambitionierte Ziele? Durchaus 😉 Aber nur so stellen wir die richtigen Fragen und behalten das große Ganze im Blick.

Wie der Nachweis von EHEC mit dem neuen Test funktioniert

Neugierig, wie der Nachweis von EHEC und dem Shigatoxin funktioniert? In knapp 4 Minuten erfährst du in diesem Video das Wichtigste zu meinem Projekt:

Forschen ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen

Was mich bewegte, diese Forschungsarbeit zu machen

Ja, vielleicht bin ich idealistisch. Ich mag es, wenn meine Arbeit Sinn macht, ich Menschen helfe und – ganz wichtig – sie mit Bakterien zu tun hat. Für mich ein Sechser im Lotto, bei dem ich in meiner Arbeit aufgehe.

Zufällig habe ich damals die Stellenausschreibung für meine Forschungsarbeit gelesen (ja, auch in der Forschung bewerben wir uns auf Stellen). Ich war sofort Feuer und Flamme. Wenn das jetzt ebenfalls idealistisch klingt – ist genau so passiert 😉

Was war herausfordernd, was hat mich überrascht?

Ich muss sagen, dass ich mit meinem Projekt und wie wir es durchführten, sehr viel Glück hatte. Eine lange Durststrecke, in denen kein Experiment klappte oder die Ergebnisse nicht in sich konsistent waren, die gab es nicht.

Und dennoch waren da Momente, in denen mir die Geräte oder auch die Puffer meiner Experimente schnelle Ergebnisse verhagelten. Wie durch Zauberhand hat ein- und derselbe Versuch tags zuvor ohne Probleme geklappt, nur um bei der zweiten oder dritten Durchführung überhaupt nicht mehr zu funktionieren. Warum, wieso, weshalb? Ist mir bis heute ein Rätsel. Im Labor wird häufig das Wetter oder der Luftdruck verantwortlich gemacht, wenn Bakterien nicht so wollen wie der Forscher 😉

Motivierend fand ich es, wenn meine Vorüberlegungen und Planungen in erfolgreichen Experimenten und Verbesserungen mündeten.

Überraschend, dass EHEC das Shigatoxin in einer enormen Vielfalt produzieren – sei es mit verschiedenen Subtypen, unterschiedlicher Konzentration des Toxins oder aber auch, dass das Toxin nicht immer gleich aktiv ist.

Was würde ich heute anders machen, wenn ich nochmal neu mit meiner Forschungsarbeit anfangen kann?

Keine leichte Frage. Heute habe ich deutlich mehr Wissen, Informationen, Kniffe und Tricks parat, die ich vor dem Start meines Projektes nicht wusste.

Was ich für mich persönlich mitnehme:

  • am Anfang ausreichend Zeit nehmen, um die Literatur zu meinem Thema zu sichten und zusammenzutragen
  • die Experimente zeitnah auswerten und die Ergebnisse zusammentragen – auch wenn im hektischen Laboralltag die Zeit zu fehlen scheint
  • fragen, fragen, fragen – die Wissenschaft ist für mich ein Miteinander
  • Präsentationen halten – egal ob Wissenschaftler, Freunde, Science Slam, Kinder, … der Austausch und die Nachfragen haben mich mein Projekt aus anderen Winkeln sehen lassen

Und jetzt – was kann mit meinen Ergebnissen zukünftig passieren?

Im besten Fall – die Welt retten, natürlich 😉

Spaß beiseite: EHEC-Infektionen nachweisen, das passiert, indem wird das Shigatoxin als Protein nachweisen. Wir wissen nicht, ob es überhaupt aktiv ist. Genau diese Aktivität (ein Enzym mit einer Art Scherenfunktion) ist es aber, die eine akute Infektion ausmacht.

Diese Aktivität konnte vorher zwar auch nachgewiesen werden, die Geräte dafür waren aber in der Preisklasse eines Einfamilienhauses. Somit nicht verfügbar in Laboren, die Patientenproben untersuchen.

Auch jetzt ist das Gerät, das die Aktivität nachweist, nicht für 500 € erhältlich. Im Vergleich zu bisherigen Geräten deutlich günstiger. Schön wäre es, wenn dieser Test weiterentwickelt wird, damit die Aktivität noch einfacher, schneller, zuverlässiger und kostengünstiger nachgewiesen wird.

Meine Zukunftsmusik ist die, dass wir innerhalb kurzer Zeit eine passgenaue Diagnose haben. Das erspart unnötigen Antibiotika-Einsatz und führt zu einer zielführenden Behandlung des Patienten. Und vielleicht wird dieser Test sogar genutzt, um wirksame Medikamente für EHEC-Infektionen zu finden. Denn das ist mit diesem Test nun einfach möglich.

Dieser Beitrag ist Teil des Projektes “Faszinierende Bakterienwelten – Woran forschst DU eigentlich?“.

Meine Forschungsarbeit ist als Preprint verfügbar und durchläuft derzeit den Review-Prozess. In diesem überprüfen unabhängige Gutachter kritisch die Forschung mit den Ergebnissen.

Du willst mehr über die verschiedenen Bakterienarten erfahren? Dann schau auf BacDive vorbei – einer riesengroßen, bakteriellen Datenbank.

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