Metabolite des Mikrobioms – Wie Darmbakterien deine Gesundheit beeinflussen

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Dieser Beitrag ist Teil der Reihe “Im Fokus – Mikrobiom“. Einen Monat lang werden wir wichtige und interessante Bereiche betrachten, die unsere Darmflora betreffen. Was können wir machen, damit sie vielfältig ist? Welche Funktion hat unsere Darmflora?

Bisher sind im Rahmen des Themenmonats erschienen:


Heute soll es um die Stoffwechselprodukte, die Metabolite, unserer Darmbakterien gehen. Stoffwechselprodukte, das ist das, was bei den Bakterien am Ende ihres Stoffwechsels herauskommt. Also das, was sie mit der ihnen zur Verfügung gestellten Nahrung machen.

Das klingt jetzt langweiliger, als es ist – denn: Mit diesen Metaboliten haben unsere Bakterien im Darm einen ziemlich großen Einfluss auf uns, unsere Stimmung und unsere Gesundheit. Dieser enorme Einfluss wird mit jedem Jahr deutlicher. Selbst bei vielen Krankheiten der westlichen Welt scheinen unsere Bakterien beteiligt zu sein.

Daher lass uns heute einmal anschauen, welche Metabolite die Bakterien im Darm bilden und welchen Nutzen (oder nicht?) sie in unserem Körper haben.

Metabolite und die Orte, an denen sie wirken

Wir haben uns bereits näher mit den Aufgaben unseres Mikrobioms beschäftigt: Sie verwerten wichtige Nährstoffe und liefern uns Vitamine, sie schützen uns vor krankmachenden Bakterien, sie halten unsere Darmbarriere intakt, sie regulieren Gleichgewichte in unserem Stoffwechsel, dämpfen Entzündungen und beeinflussen unsere Stimmung.

Das klingt nach einer ziemlich großartigen Leistung – und das ist es auch! Stell dir mal vor, wie „zerbrechlich“ wir unter Umständen ohne unseren grandiosen Untermieter wären!

Aus diesen Aufgaben des Mikrobioms können wir bereits die wichtigsten Wirkungsorte der Metabolite herauslesen, denn die Bakterien sind (natürlich) nicht an solch sensiblen Orten wie unserem Nervensystem vorhanden (und wenn, dann ist das nicht normal und der Patient ziemlich krank).

Metabolite des Mikrobioms

Mit seinen Metaboliten (be)wirken unseren Darmbakterien Veränderungen in

  • unserem Nervensystem
  • Mikrobiom selbst
  • unserer körpereigenen Abwehr, dem Immunsystem
  • den Stoffwechselkreisläufe, etwa in der Leber oder anderen Organen

Aber, betrachten wir nun einige wichtige Metabolite und welche Funktionen sie in unserem Körper übernehmen oder beeinflussen.

Kurzkettige Fettsäuren, ein Metabolit mit vielfältigen Eigenschaften

Bakterien lieben Pflanzen! Also, um das etwas genauer zu sagen: die für uns unverdaulichen Bestandteile der Pflanzen, sie sogenannten unverdaulichen Kohlenhydrate oder Ballaststoffe.

Denn diese sind das Futter der guten Darmbakterien, denn sie sind eine exzellente Energiequelle, nicht nur für die Bakterien. Diese unverdaulichen Kohlenhydrate verwerten die Bakterien, gewinnen daraus für sich Energie und lassen als „Abfallprodukt“ die kurzkettigen Fettsäuren und Gase wie Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid oder Methan zurück.

Zu den kurzkettigen Fettsäuren, englisch Short Chain Fatty Acid (SCFA) genannt, gehören Butyrat oder Acetat. In den letzten Jahren wurden an SCFA intensiv geforscht und mittlerweile viele unterschiedliche Funktionen in unserem Körper entdeckt:

  • Sie interagieren mit Rezeptoren, die mit der Appetitkontrolle zu tun haben (Nervensystem)
  • Butyrat, das z.B. durch Faecalibacterium prausnitzii gebildet wird, hat eine Schutzwirkung gegen Krebs (Immunsystem)
  • sie zeigen entzündungshemmende Eigenschaften; so ist der Darm vor entzündlichen Darmerkrankungen (etwa Morbus Crohn) geschützt (Immunsystem)
  • SCFA verbessern die Darmbewegung und verkürzen die Aufenthaltszeit des Stuhlgangs im Darm; somit wird Verstopfungen entgegengewirkt (Mikrobiom)

Immunmodulator Retinsäure

Retinsäuren werden durch Bakterien aus Vitamin A hergestellt. Seine Aufgabe besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Immunreaktionen.

Ein Mangel an Retinsäure führt dazu, dass sich die Mikrobiom-Zusammensetzung und die Funktion des Immunsystems ändern. Es hilft bei der humoralen Immunantwort, die wichtig für die Antikörperbildung ist.

Aber nicht nur als Immunmodulator, sondern auch in anderen wichtigen Zellprozessen ist die Retinsäure beteiligt. Besonders das Zellwachstum und der Schutz vor Krebs sind weitere wichtige Funktionen von Retinsäure.

Cholesterin-Senker – die sekundären Gallensäuren

Cholesterin, davon hast du sicherlich schon etwas gehört. Für unseren Körper ist Cholesterin wichtig, da bestimmte Hormone daraus gebildet werden und es zudem ein wichtiger Baustein unserer Zellmembranen ist.

Aber, wie es immer so ist: Zu viel Cholesterin (in unserem Blut) ist für uns Menschen nicht gut, da es zu einer Verkalkung unserer Arterien kommt. Dies führt schlussendlich dazu, dass sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausbilden können.

Was haben aber unsere Darmbakterien mit unserem Cholesterin am Hut?

Cholesterin wird in unserer Leber gebildet und auch hier werden auch Cholesterin die primären Gallensäuren gebildet. Gallensäuren sind wichtig, um Fett in unserer Nahrung verwerten zu können. Diese werden dann in den Darm transportiert, wo sie von den Bakterien genutzt werden können.

Einige Bakterien besitzen spezielle Enzyme, die Gallensäure-Hydrolasen, die die Gallensäuren zerkleinern. Es entstehen dann sekundäre Gallensäuren, wie etwa Desoxycholsäure (DCA). Sie sorgen für eine verbesserte Darmbarrierefunktion oder Darmbewegung und sind zudem antimikrobiell (für andere Bakterien).

Zu einer Cholesterin-Senkung kommt es auf zwei Arten. Eine Möglichkeit ist, dass einige Bakterien Cholesterin für ihr eigenes Wachstum nutzen, etwa Bifidocbacterium. Der zweite Weg besteht in der Bildung sekundärer Gallensäuren, denn dadurch werden ja primäre Gallensäure verbraucht (die wir für die Nahrung brauchen).

Unser Körper sieht sich daher gezwungen, wieder neue Gallensäuren aus Cholesterin zu bilden, wodurch die Konzentration des Cholesterins im Blut sinkt. Unsere guten Darmbakterien helfen uns also auf doppelte Weise, überflüssiges Cholesterin loszuwerden und uns so vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu schützen!

Einfluss auf das Nervensystem – die Darm-Hirn-Achse

Metabolite, die von Bakterien im Darm gebildet werden, können ihre Wirkung im Nervensystem und sogar im Gehirn entfalten! So sind Bakterien teilweise verantwortlich für unsere Stimmungen – also sollten wir besonders lieb zu ihnen sein 😉

Nein, mal im Ernst. Betrachten wir das Ganze doch mal am Beispiel von Serotonin.

Serotonin ist ein Neurotransmitter und wird sowohl im Gehirn, als auch im Gastrointestinaltrakt aus der Aminosäure L-Tryptophan gebildet. Es ist ein wichtiges Molekül, um Emotionen, Schlag, Stress und auch unsere Darmbewegungen zu regulieren.

Haben wir zu wenig Serotonin, um ausgeprägter können schlechte Stimmungen, aggressives Verhalten oder eine verringerte Darmaktivität sein! Neue Studien zeigen sogar, dass ein Serotoninmangel seinen Beitrag zur Entstehung von Alzheimer leistet.

Aber, wie können die Metabolite der Darmbakterien Serotonin beeinflussen? SCFA und die sekundären Gallensäuren steigern die Produktion bzw. die Ausschüttung von Serotonin im Darm. Serotonin wiederum als Molekül des Nervensystems arbeitet dann so, wie wir es eben kennengelernt haben. Interessant, oder?

Einfluss auf die Mikrobiomzusammensetzung

Nützliche Darmbakterien können sich vor anderen, krankmachenden Bakterien mit unterschiedlichen Stoffen schützen. Dazu zählen neben den Gallensäuren auch die Bakteriozine.

Bakteriozine sind kleine, natürliche Produkte, die durch einige Darmbakterien gebildet werden. Sie sind äußerst stabil und werden ohne Probleme durch den Darm hinweg transportiert. Bei grampositiven Bakterien wird die Zellwand zerstört und das schädliche Bakterium somit abgetötet.

Einige Bakteriozine besitzen neben ihren antimikrobiellen Wirkung auch eine immunologische. Sie steigern zusätzlich die Immunreaktion, damit das Pathogen noch effektiver und schneller entfernt werden kann.

Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System – TMAO

Über unsere fleischhaltige Nahrung nehmen wir den Stoff L-Carnitin auf, der in unserem Körper für den Transport von Fettsäuren wichtig ist. Unser Körper kann diesen Stoff aus den Aminosäuren Methionin und Lysin selbst herstellen.

Im Körper wird L-Carnitin in ein Zwischenprodukt, Trimenthylamin N-Oxid (TMA), gebildet und anschließend über den Blutkreislauf in die Leber oder den Darm transportiert. Hier haben unsere Darmbakterien die Möglichkeit, aus TMA Tri-Methylamin -Oxid (TMAO) zu bilden. Aus L-Carnitin wird TMA und dann TMAO.

Ziemlich viel chemisches Gelabere, ich weiß (ich mag das auch nicht, deswegen schnell weiter 😉 ). Das Interessante hier ist, was TMAO ist und wie es entsteht. Erhöhte TMAO-Werte können zu Erkrankungen wie Nierenversagen, Diabetes, Arteriosklerose oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

Im Darm entsteht TMAO dadurch, dass Bakterien TMA verstoffwechseln und daraus TMAO entsteht. Wenn wir also zu einer hohen Zufuhr von L-Carnitin durch unsere Nahrung sorgen und die falschen Bakterien in unserem Darm vorhanden sind, entsteht daraus das schädliche TMAO.

Durch welche Nahrungsmittel nehmen wir L-Carnitin auf? Es ist verstärkt in Eiern (3-4 Eier pro Woche sind vollkommen in Ordnung), Leber, Milchprodukten und rotem Fleisch enthalten. Daher haben Vegetarier und Veganer eher weniger Probleme mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch zu hohe TMAO-Werte.

Metabolite unserer Darmbakterien

Wie so oft, wenn es um Bakterien geht, entsteht eine große Vielfalt an Dingen. So auch bei den Metaboliten. Es gibt nicht nur eine Art Stoffwechselprodukt, dass auf unseren Körper wirkt. Vielmehr gibt es mehrere, die auf unterschiedlichen Wegen arbeiten.

Besonders häufig zeigen die SCFA einen positiven Effekt auf unsere Gesundheit. Wir erinnern uns: Diese kurzkettigen Fettsäuren werden von den Bakterien gebildet, wenn ihr Futter die für uns unverdaulichen Kohlenhydrate aus pflanzlicher Nahrung sind.

SCFA zeigen entzündungshemmende Eigenschaften, schützen vor Krebs, verbessern die Darmbewegung, sind Energiequelle und mehr. Diese Metabolite zu fördern, sollte uns ein Anliegen sein.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Metabolite, die das Immunsystem unterstützen oder anregen (Retinsäure), auf unser Nervensystem wirken und somit auch unsere Stimmung beeinflussen kann (Serotonin), schädliche Bakterien aus dem Darm entfernt (Bakteriozine) oder hilft, überschüssiges Cholesterin aus dem Blut zu nutzen (sekundäre Gallensäuren).

Wie du dir bestimmt schon denken kannst: Das ist nur eine Auswahl an Metaboliten und ihren Funktionen auf unseren Körper. Alle im Detail zu betrachten, würde den Rahmen allerdings sprengen.

Zum Schluss diese Frage: Welches Metabolit findest du am interessantesten?

Der nächste Beitrag zum Mikrobiom dreht sich dann um die (natürlichen) Veränderungen des Mikrobioms im Laufe unseres Lebens und welche Auswirkungen diese Veränderungen auf unsere Gesundheit hat.

Alles Liebe
Isabell

Literatur:

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