Zuletzt aktualisiert am 15. September 2024 von Isabell
Hast du dich jemals gefragt, wie ein Arzt weiß, welches Antibiotikum er/sie einsetzen muss? Und welche Menge des Antibiotikums ideal ist, um nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen?
Endlich wird es praktisch! Im letzten Blogbeitrag haben wir uns die Antibiotika näher angeschaut. Werden Antibiotika eingesetzt, entstehen Resistenzen.
Normalerweise nutzen wir Antibiotika ein, um Bakterieninfektionen zu behandeln. Resistenzen gegen Antibiotika oder resistente Bakterien sind Bakterien, bei denen ein Antibiotikum nicht mehr wirkt. Das Bakterium stirbt nicht ab, sondern überlebt.
Wie aber werden diese Resistenzen von Bakterien bestimmt? Was passiert mit einer Patientenprobe, wenn sie in ein Labor geschickt wird, um die Resistenzen zu bestimmen?
Wozu muss denn überhaupt die Resistenz eines Bakteriums bestimmt werden?
Stell dir also vor, du hast eine bakterielle Infektion, z.B. einer Lungenentzündung, und gehst zum Arzt. In einer idealen Welt würdest du kein Breitbandantibiotikum bekommen. Das waren diese Antibiotika, die gegen unterschiedliche Bakterien gleichzeitig wirken.
Besser wäre es, wenn eine Probe von dir genommen wird. Also einmal tief husten zum Beispiel. Dieses Sekret wird dann ins Labor geschickt. Aber was passiert dann? Wie können wir danach genau sagen, welches Antibiotikum geeignet ist?
Das goldene Zeitalter der Antibiotika und die Innovationslücke
Als Alexander Fleming 1928 das erste Antibiotikum entdeckte, eröffnete das eine florierende Forschung an neuen Wirkstoffen. Bis 1960 kamen viele neue, wirksame Antibiotika dazu, wurden hergestellt und zugelassen. Das goldene Zeitalter der Antibiotika war gekommen.
Zwischen 1962 und 2000 wurde kein neues Antibiotikum zugelassen – die Innovationslücke.
Ziemlich schnell entdeckten Ärzte und Wissenschaftler*innen aber, dass die ersten Resistenzen auftauchten. Immer dann, wenn ein Antibiotikum im großen Maße eingesetzt wurde, nahmen auch die resistenten Bakterien zu.
Solange es ausreichend wirksame Antibiotika gibt und gab, war das kein Problem. Zwischen 1962 und 2000 allerdings wurde kein einziges neues Antibiotikum zugelassen – die sogenannte Innovationslücke. Neue Wirkstoffe wurden zwar entdeckt oder entwickelt, aber sie ähnelten so sehr den bisherigen Stoffen, dass ihre Wirkung entweder schlecht war oder sich neue resistente Keime entwickelten.
Resistenzbestimmungen helfen, den Verbrauch von Antibiotika zu senken
Der massive Einsatz von Antibiotika bewirkte zudem, dass es Bakterien gibt, die gleich gegen mehrere Antibiotika resistent sind. Diese Bakterien nennen wir multiresistente Keime. Sie sind besonders schwierig, da es kaum geeignete Möglichkeiten gibt, um Patienten mit diesen Keimen zu behandeln.
Um den unnötigen und übermäßigen Gebrauch von Antibiotika einzuschränken, wurden Tests eingeführt, um:
- Geeignete Antibiotika für den Erreger und die optimale Menge des Antibiotikums zu bestimmen und
- Resistenzen bei Bakterien aufzudecken, zu verfolgen und neue Resistenzen frühzeitig zu erkennen
Wie Bakterien auf Antibiotika im Labor reagieren – die Grundlagen
Bakterien können im Labor vermehrt (kultiviert) werden. Und das ist ziemlich praktisch, denn für Untersuchungen brauchen wir viele Nachkommen vom gleichen Ursprungsbakterium. Die meisten Bakterien wachsen sehr schnell, sodass die Untersuchungen in der Regel innerhalb weniger Tage abgeschlossen sind.
Es gibt aber auch Gesellen, die ziemlich lang zum Wachsen brauchen. Dann können solche Untersuchungen gut und gern auch mal Wochen benötigen.
Wichtig ist, dass wir Bakterien im Labor auf zwei Arten vermehren können: im Flüssigmedium oder auf der Agarplatte. Den meisten Bakterien ist es egal, ob sie im flüssigen oder auf festem Medium wachsen. Beide Arten stellen wichtige Nährstoffe bereit und die Bakterien sind somit glücklich.
Für die Wissenschaftlerinnen und Laborantinnen im Labor haben beiden Kultivierungen ihre Vor- und Nachteile. Während wir im Flüssigmedium extrem viele Bakterien in kurzer Zeit bekommen, können wir auf der Agarplatten hingegen das Wachstum der Bakterien in sogenannten Kolonien beobachten.
Die Flüssigkultivierung
Bakterien können im Flüssigmedium wachsen. Wir sprechen dann von einer Flüssigkultur. Dafür wird das Medium einfach in ein Glasröhrchen mit den Bakterien gegeben und bei z. B. 37 °C in einem Brutschrank kultiviert.
Das Wachstum der Bakterien im Flüssigmedium erkennen wir daran, dass aus dem klaren Nährmedium im Laufe der Zeit eine trübe Suppe wird. Die Trübung kann dann mithilfe eines Fotometers bestimmt werden. Die Einheit ist die optische Dichte, kurz OD. Und 1 OD ist mit einer Bakterienzahl von etwa 800.000.000 Zellen in einem einzigen Milliliter (8 x 10^8 Zellen/mL). Unvorstellbar, oder?
Die Kultur kann dann aufgeteilt oder verdünnt werden, je nachdem, was wir für einen weiteren Test benötigen. Das ist ziemlich praktisch, denn bei dem schnell wachsenden Bakterium E. coli sehen wir nach bereits vier Stunden eine deutliche Trübung mit vielen, sich munter teilenden Bakterien.
Das Problem hier ist aber, dass ich mir sehr sicher sein muss, dass es sich um eine Art von Bakterium handelt. Sind noch andere Bakterienarten vorhanden, kann ich das meistens nur schwer erkennen und schon gar nicht voneinander trennen.
Antibiotika können ganz leicht als Flüssigkeit in das Röhrchen gegeben werden. Sofern alles gut durchmischt wird, ist der Wirkstoff in der gesamten Flüssigkeit in einer Konzentration vorhanden. Alle Bakterien kommen mit dem Wirkstoff in Berührung. Sind die Bakterien sensibel gegenüber dem Antibiotikum, dann wird das Medium klar bleiben. Kein Bakterium kann wachsen.
Die Kultivierung auf Agarplatten
Bakterien können auch auf Agarplatten wachsen. Das waren diese Schalen, in denen sich eine geleeartige Masse befindet und in der Bakterien alles zum Wachsen finden. Einzelne Bakterien sehen wir auf den Agarplatten nicht, dafür Kolonien.
Kolonien, das sind Zusammenlagerungen vieler Bakterien auf einem Haufen. Obwohl wir ein einzelnes Bakterium allein nicht sehen können, ist es möglich, die Kolonien zu sehen.
Antibiotika können auch auf Agarplatten getestet werden. Allerdings ist die Zugabe dieser bei Agarplatten etwas anders.
Im Großen und Ganzen werden zwei Arten unterschieden:
- Das Antibiotikum wird flüssig auf den Nährboden großflächig ausgestrichen; auf dem Agar befindet sich dann eine dünne Schicht des Antibiotikums
- Filterplättchen, die mit dem Antibiotikum getränkt sind (Antibiotika-Plättchen), werden auf den Agar aufgelegt.
Die Bakterien werden auf die Agarplatte gebracht, bevor die Antibiotika-Plättchen aufgelegt werden. Dafür benötigen wir zumeist eine Flüssigkultur. Mit einem Tupfer werden dann die Bakterien ausgestrichen und im Brutschrank bebrütet. Das Ergebnis ist ein großflächiger Bakterienrasen.
Unterschiedliche Konzentrationen des Antibiotikums auf Agarplatten
Wenn ein Antibiotikum auf eine Agarplatte gebracht wird, dann ist nicht dieselbe Menge des Stoffes im Agar.
Direkt an der Oberfläche der Agarschicht ist die Menge am höchsten. Das Antibiotikum dringt in den Agar ein. Je weiter weg wir uns vom Ort, an dem das Antibiotikum aufgetragen wurde, entfernen, umso geringer ist die Menge.
Die Bestimmung von Antibiotika-Resistenzen – das Antibiogramm
Dieser Beitrag konzentriert sich auf die klassischen Methoden, mit denen auch heute noch in vielen Laboren die Resistenzen bestimmt werden. Diese Verfahren folgen strengen Regeln und werden in jedem Labor auf dieselbe Art durchgeführt.
Die Bestimmung von Resistenzen eines Bakteriums wird Antibiogramm genannt. Die Resistenzen können dabei mit ganz unterschiedlichen Tests herausgefunden werden.
Mikrotiterplattentest – die Resistenzbestimmung mit Flüssigkulturen
Für diesen Test brauchen wir eine Platte mit vielen kleinen Vertiefungen darin. Diese Platte kann 6, 12, 24, 48, 96 oder sogar 384 Vertiefungen haben!
Für unseren Test benötigen wir die Platte mit 96 Vertiefungen (96 Well-Platte). Mit dieser Größe lässt sich noch gut ohne Roboter arbeiten. Gleichzeitig können verschiedene Antibiotika getestet werden.
Schauen wir uns nun Schritt für Schritt an, wie wir mit diesem Test die Resistenzen bestimmen können.
- Zunächst brauchen wir eine Flüssigkultur unseres Bakteriums. Mit dieser beginnen wir bereits den Tag vor unserem eigentlichen Test und lassen sie über Nacht wachsen.
- In der 96 Well-Platte bereiten wir nun die Antibiotika vor, die wir untersuchen wollen. Da wir mit diesem Test die optimale Menge des Antibiotikums bestimmen können, müssen wir dieses verdünnen. Am Ende haben wir dann von jedem Antibiotikum mehrere Vertiefungen mit unterschiedlichen Mengen des Wirkstoffes.
- Im letzten Schritt kommen die Bakterien dazu. Die Menge an Bakterien ist dabei genau festgelegt, damit am nächsten Tag nicht zu viele Bakterien gewachsen sind.
- Die Platte wird in den Brutschrank bei 37 °C gestellt. Die Bakterien wachsen über Nacht.
- Am nächsten Tag wird geguckt, ob das Bakterium Resistenzen gegenüber Antibiotika hat. Wenn nicht, dann können wir auch gleich die optimale Menge des Antibiotikums bestimmen.
Diese Ergebnisse und optimalen Konzentrationen der möglichen Antibiotika erhält dann der Arzt.
Resistenzbestimmungen auf Agarplatten
Hier werden zwei Arten unterschieden:
- Die Gradientenmethode, z. B. der E-Test, oder
- der Agardiffusionstest
Mit der Gradientenmethode können wir, wie beim Flüssigtest, die optimale Konzentration bestimmen. Der Agardiffusionstest sagt uns nur, ob das Bakterium gegenüber dem Antibiotikum sensibel oder resistent ist.
Die Durchführung der beiden Tests ist ziemlich ähnlich. Bevor verschiedene Antibiotika getestet werden können, müssen die Bakterien auf der Agarplatte ausgestrichen werden. Anschließend werden kleine Filterpapiere auf die Agarplatte gelegt. Diese Filterpapiere sind mit dem Antibiotikum getränkt.
Der E-Test
Bei der Gradientenmethode nutzen wir einen Filterstreifen. Dieser Streifen enthält das Antibiotikum in verschiedenen Konzentrationen. Oben am Streifen befindet sich viel des Antibiotikums, während am unteren Ende nur noch eine geringe Menge vorhanden ist. Wachsen dann die Bakterien, können wir direkt sehen, ob ein Bakterium resistent ist.
Das Bild oben zeigt diesen E-Test, eine Gradientenmethode. In der Mitte der Agarplatte befindet sich der Antibiotika-Streifen. Die Zahlen gegeben die Konzentration des Antibiotikums an. Die klare Zone um den Streifen in Ellipsen-Form zeigt den Agar. Hier sind keine Bakterien gewachsen.
Die Ellipse wird von einem beigen „Teppich“ umgeben. Das ist der sogenannte Bakterienrasen. Also ganz viele Bakterienkolonien nebeneinander. Ungefähr so wie viele Fußballfans im Stadion. Von Weitem sieht es wie ein Menschenmeer aus. Erst bei genauerem Hinsehen würde auffallen, dass dieses Meer aus vielen einzelnen Menschen besteht.
Für dieses Bakterium hier können wir sagen, dass wir mindestens eine Konzentration von 2 µg/mL des Antibiotikums benötigen, um das Bakterium am sichtbaren Wachsen zu hindern. Dieser Wert wird die minimale Hemmkonzentration (MHK) genannt.
Der Agardiffusionstest
Die andere Methode ist der Agardiffusionstest, der von der Durchführung sehr ähnlich zum E-Test ist. Die Vorbereitung, also die Bakterien auf die Agarplatte bringen, ist gleich.
Lediglich die Form, wie das Antibiotikum auf die Agarplatte kommt, ist anders. Bei diesem Test können wir keine konkrete Konzentration des Antibiotikums bestimmen. Vielmehr geht es hier darum, viele Antibiotika gleichzeitig zu testen, um einen Überblick über alle Resistenzen zu bekommen.
Anschließend kann dann das optimale Antibiotikum herausgesucht und die Konzentration bestimmt werden.
Auf die Agarplatte werden kleine, runde Filterplättchen aufgelegt. Die Plättchen sind mit einem Antibiotikum getränkt. Jedes dieser Plättchen auf dem Bild steht für ein anderes Antibiotikum. Wir können hier mit einem Blick sehen, dass das Bakterium für zwei Antibiotika resistent ist (oben und Mitte rechts). Hier sind die Bakterien bis an das Plättchen herangewachsen. Das Antibiotikum konnte die Bakterien nicht am Wachstum hindern.
Für die anderen Plättchen sehen wir klare, runde Zonen um die Plättchen. Das sind die sogenannten Hemmhöfe, in denen keine Bakterien wachsen. Diese können, je nach Wirkstoff, unterschiedlich groß sein. Je größer dieser Hemmhof ist, umso besser wirkt das Antibiotikum.
Die Plättchen können entweder einzeln mit einer Pinzette auf die Agarplatte gelegt werden. Alternativ kann dafür auch ein Stempel genutzt werden. Das ist ein mechanisches Gerät, in dem an verschiedenen Stellen die Antibiotika-Plättchen im Gerät platziert und dann mit einem Stempeldruck nach unten alle Plättchen mit einem Mal auf der Agarplatte platziert werden.
Welche Methoden gibt es noch? Weitere Möglichkeiten in einem kurzen Überblick (+1)
Diese drei Methoden, mit denen wir uns heute beschäftigt haben – der Mikrotiterplattentest, die Gradientenmethode (E-Test) und der Agardiffusionstest – sind die bisher gängigen Tests, um Resistenzen zu bestimmen.
Wie bei vielen Sachen gibt es auch hier immer wieder verbesserte Ansätze oder gar neue Methoden.
Spätestens, nachdem es möglich war, das gesamte Erbgut eines Organismus zu untersuchen, werden diese Ansätze auch zur Resistenzbestimmung genutzt. So ist es heute möglich, entweder
- Das Gen der Resistenz zu bestimmen – also der Teil des Erbguts, der die Information für die Resistenz liefert, oder
- typische Enzyme, die die Antibiotika inaktivieren, zu bestimmen.
Diese Methoden haben den Vorteil, dass verschiedene Bakterien und Bakterienarten miteinander verglichen werden können. Diese Informationen können bei Ausbruchskeimen eine wertvolle Information sein, wenn z. B. eine Resistenz charakteristisch ist.
Es gibt aber auch ein Problem: Ist die Information für die Resistenz vorhanden, heißt das nicht automatisch, dass dann auch jedes Bakterium resistent gegenüber dem Antibiotikum ist. Es kann nämlich auch passieren, dass das Gen gar nicht abgelesen wird und die Information dann dem Bakterium gar nicht zur Verfügung steht.
Was hast du für dich heute aus diesem Beitrag mitgenommen?
Lass es mich gern in den Kommentaren wissen 🙂
Alles Liebe
Isabell
Quellen:
Dieser Blogbeitrag enthält Informationen aus den folgenden beiden Veröffentlichungen:
- Antimicrobial Susceptibility Testing: A Review of General Principles and Contemporary Practices
- Innovative and rapid antimicrobial susceptibility testing systems
Darüber hinaus wurden in diesen Beitrag eigene, praktische Laborerfahrungen aus 10 Jahren mit eingearbeitet. Bilddateien aus weiteren Veröffentlichungen wurden direkt unter dem jeweiligen Bild angegeben.