TSS und die Tage – Was haben bakterielle Toxine und Tampons miteinander zu tun?

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Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, ob dein Hygieneartikel für deine Tage geeignet ist? Oder dir vielleicht sogar schaden könnte? Denn sind wir mal ehrlich: Tampons und Co. bedeuten gerade für uns Frauen eine große Freiheit in dieser nicht immer tollen Zeit.

Doch für einige sind Tampons keine Alternative, da sie ein höheres Risiko für das sogenannte Toxische Schocksyndrom, kurz TSS, zeigen. Dieses „Syndrom“ ist eine seltene, aber sehr ernste und schwere Infektion, die anfangs nur menstruierenden Mädchen und Frauen zusprach. Besonders denen, die während ihrer Tage Tampons benutzten.

Was aber ist dieses Toxische Schocksyndrom genau? Warum sind nicht alle Mädchen und Frauen davon betroffen, die Tampons benutzen? Sind Menstruationstassen eine gute Alternative mit einem geringeren Risiko für TSS?

Ja, dieses Thema ist ein sensibles und nicht jede/r mag sich mit der monatlichen Blutung des weiblichen Geschlechts befassen. Aber: Nur wenn wir darüber Bescheid wissen, können wir uns schützen und schützende Maßnahmen ergreifen.

Was ist TSS?

Bevor wir starten: Ist dir jemals dieser Hinweis auf Tampon-Verpackungen aufgefallen?

TSS: Hinweis auf Tamponverpackungen

Das Toxische Schocksyndrom (engl. Toxic Shock Syndrome, TSS) wurde bereits 1978 zum ersten Mal im wissenschaftlichen Journal “The Lancet” veröffentlicht. Damals wurde von einer schweren Infektion berichtet, die vor allem junge Mädchen betraf.

Aufgefallen war eine ganze Reihe von betroffenen Mädchen, die alle über dieselben Symptome klagten: sehr hohes Fieber, geringer Blutdruck, Hautausschlag mit anschließender Schuppung. Teilweise wurden auch Funktionsstörungen mehrerer Organe beobachtet.

Zu dieser Zeit gingen die Forscher von einer neuen Erkrankung aus. Vielmehr zeigte sich aber durch spätere Untersuchungen, dass bereits in den 1930er Jahren Mädchen von dieser Erkrankung betroffen waren. Damals allerdings starben viele der Betroffenen daran.

Ein Bakterium und sein Toxin als Übeltäter

TSS wird durch das grampositive Bakterium Staphylococcus aureus (S. aureus) ausgelöst. Diese Bakterien kommen bei etwa einem Viertel der Bevölkerung natürlicherweise auf der Haut und den Schleimhäuten vor. Aber nicht jeder S. aureus-Stamm ist in der Lage, TSS auszulösen.

Denn damit TSS auftritt, müssen diese Bakterien in der Lage sein, einen bestimmten Giftstoff zu bilden. Dieses Toxin, das Toxic Shock Syndrome Toxin (TSST), wird von nur etwa 1-6 % der S. aureus-Stämme gebildet.

Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass TSS während der Menstruation auftreten kann (was dann als menstruelle TSS – mTSS – genannt wird), aber auch unabhängig davon. Auch eine zeitgleiche Infektion mit S. aureus und einem Virus kann einen Toxin-produzierenden S. aureus zur Produktion von TSST veranlassen.

Auch Weichteilinfektionen oder flächige Dermatiden, die durch S. aureus ausgelöst werden, können im weiteren Verlauf zu TSS führen, unabhängig vom Geschlecht.

TSS nur bei menstruierenden Frauen, die Tampons nutzen?

Als das Thema TSS vor über 40 Jahren bekannt wurde, wurde diese Erkrankung zunächst nur bei menstruierenden Frauen beschrieben, die Tampons verwendeten. Heute wissen Forscher allerdings, dass diese Erkrankung auch bei Männern, Kindern, Älteren und Frauen ohne Tampon-Verwendung auftritt.

S. aureus ist, wie bereits beschrieben, bei einem Teil der Bevölkerung ein natürlicher Begleiter der Haut und Schleimhaut. Infektionen mit diesem Bakterium können also „ganz einfach“ durch die eigene Haut entstehen.

Diese Erkenntnisse sind heute fundiert und gut untersucht. Doch bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg, der von vielen Untersuchungen, Experimenten, Befragungen und auch Betroffenen gesäumt ist. Eine detaillierte Beschreibung dieser Entwicklung findest du in der Veröffentlichung von Schlievert und Davis aus dem Jahr 2020 (auf Englisch).

Warum stehen Tampons im Verdacht, TSS zu begünstigen?

Die ersten berichteten Fälle schienen ausschließlich bei menstruierenden Frauen, die Tampons verwendeten, aufzutreten. Daher war der erste Verdacht, dass Tampons TSS durch ihren Aufbau begünstigen.

Tampons wurden 1931 in den USA zum Patent angemeldet und wurden bereits zwei Jahre später durch die amerikanische Firma Tampax als Massenprodukt gefertigt. Die ersten Tampons bestanden aus hoch-aufsaugender Carboxymethylcellulose und Polyester.

1947 wurden Tampons dann auch in Deutschland durch die Firma o.b. produziert und verkauft. Heute nutzen etwa 70 % der Frauen in den USA, Kanada und großen Teilen Westeuropa zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Menstruation Tampons.

Bestandteile von Tampons

Die Cellulose, einem Pflanzenstoff, der Carboxymethylcellulose, wird aus Nadel- und Laubhölzern gewonnen. Mit chemischen Mitteln können dann unterschiedliche Eigenschaften der Carboxymethylcellulose hergestellt werden. Dazu zählen u.a. die Filmbildung (Überzugmittel von Lebensmitteln), flüssigkeitsbindende Eigenschaften oder das Klebeverhalten.

Carboxymethylcellulose wird in der Lebensmittelindustrie, in Waschmitteln (zum Schutz vor Wiederanlagern von Fett auf der Wäsche), in der Papierindustrie (Beschichtung von Papier, um weniger Wachs oder Farbe benutzen zu müssen), in Kosmetika (als Verdickungsmittel in Zahnpasta oder Shampoos) oder zur Herstellung von Tabletten verwendet.

Heutige Tampons werden aus Viskose, Baumwolle oder einem Mix aus beidem hergestellt. Während Baumwolle einer natürlicher Stoff ist, wird Viskose aus Cellulose gewonnen und anschließend chemisch bearbeitet (halb synthetische Fasern). Dadurch erhält die Viskose beispielsweise pflegeleichte Eigenschaften, ist angenehm auf der Haut und nimmt Feuchtigkeit sehr gut auf.

Waren die Bestandteile früherer Tampons der Grund für TSS?

Im Vergleich zu früheren Tampons unterscheiden sich die heutigen Materialien bei z.B. Viskose durch ihre Bearbeitung des Rohprodukts Cellulose. Je nach Produkt gab es früher auch Tampons, die Polyester enthielten, einer synthetischen Faser, die u.a. aus Erdöl gewonnen wird.

Bei den ersten Tampons standen schnell die Bestandteile im Fokus, dass diese zur Ausbildung von TSS beitragen. Untersuchungen ergaben aber, dass nicht die verwendeten Materialien, sondern vielmehr die Saugfähigkeit der Tampons ausschlaggebend ist.

Hier gilt: Je saugfähiger der Tampons, umso mehr Sauerstoff wird in die Scheide eingebracht. Und Sauerstoff wiederum wird von den Bakterien benötigt, um das Toxin zu produzieren (aber dazu weiter unten mehr).

Studien und Überwachungssysteme in den USA bestätigen den Verdacht der Saugfähigkeit

Nach den ersten bestätigten TSS-Fällen nach Tamponnutzung untersuchte das Center for Disease Control (CDC) in den USA rückwirkend 1.407 Fälle von TSS über das nationale Überwachungssystem. Sie wollten klären, ob TSS und Tampons eindeutig in Verbindung zueinander stehen.

Die Untersuchung ergab, dass 92 % der TSS-Fälle mit menstruierenden Frauen in Verbindung gebracht werden konnte. Von diesen berichteten fast alle Frauen, dass sie Tampons nutzten. Die Studie bestätigte zudem den Verdacht, dass hoch-absorbierende Tampons (unabhängig der Marke und Materialien) mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von TSS verbunden sind.

Somit konnten die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse durch diese Beobachtungen bestätigt werden.

S. aureus befindet sich nicht auf Tampons, sondern ist bei einem Anteil der Bevölkerung natürlicherweise vorhanden.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass nicht allein nur Tampons TSS auslösen. Es wurden Fälle beschrieben, bei denen Frauen mit anderen Menstruationsartikeln und auch nicht-menstruierende Frauen und auch Männer betroffen waren.

Viele TSS-Fälle könnten hier nicht erfasst worden sein, da zu dieser Zeit ein verstärkter Fokus auf menstruierenden Frauen und der Tamponnutzung lag. Oft ist es schwer zu erkennen, wann es sich um ein TSS handelt. Daher wird die Diagnose vermutlich weniger als eigentlich vorhanden, gestellt.

Risikofaktoren für die Bildung von TSS/TSST

Was wir bereits wissen:

  • TSS kann bei allen Menschen auftreten und bevorzugt bei denen, die S. aureus natürlicherweise tragen
  • Diese S. aureus müssen zur Toxinbildung befähigt sein.
  • die Materialien der Tampons sind nicht der Auslöser für TSS, sondern vielmehr die Saugfähigkeit dieser Tampons.
  • TSS kann auch unabhängig der Menstruation auftreten.

Wie aber kommt es dann bei einigen Menschen zur Bildung des Toxins? Dafür wurden verschiedene Faktoren in verschiedenen Studien untersucht. Forscher fanden heraus, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die die Bildung des Toxins begünstigen.

Die zwei wichtigsten, gerade auch im Zusammenhang mit der Menstruation und der Nutzung von Tampons, sind der Sauerstoff und der pH-Wert der Scheide.

Der pH-Wert während der Menstruation fördert die Toxinproduktion

Der natürliche pH-Wert der Scheide an „normalen“ Tagen liegt bei den meisten Frauen zwischen pH 4 und 5, also leicht sauer. Dieser pH-Wert ist optimal für die guten Bakterien, die Laktobazillen. Diese vermehren sich in dieser Umgebung sehr gut und schützen vor Hefen oder anderen, schädlichen Bakterien.

Während der Menstruation und durch das von der Gebärmutter abfließende Blut wird der pH-Wert erhöht und erreicht Werte zwischen pH 6,8 und 7,2 – also einem neutralen pH-Wert. Zusätzlich führen die Hormonveränderungen dazu, dass die Laktobazillen den sonst sauren pH-Wert nicht mehr aufrechterhalten können und sich der neutrale pH-Wert festigt.

Diese hormonellen Veränderungen treten bereits bis zu drei Tage vor der eigentlichen Menstruation auf. Studien haben gezeigt, dass neutrale pH-Werte über pH 6,5 die Produktion von TSST begünstigen.

Sauerstoff wird für die Bildung des Toxins benötigt

Ein weiterer, wichtiger Faktor ist der Sauerstoff. Dieser muss vorhanden sein, damit S. aureus in der Lage ist, TSST zu produzieren. Sauerstoff ist unter normalen Umständen während der Menstruation durch den Sauerstoff im Blut vorhanden.

Durch die Nutzung von Tampons wird noch zusätzlich Sauerstoff in die Scheide eingebracht. Schuld daran ist die Struktur des verwendeten Materials. Tampons sind darauf ausgelegt, Blut aufzusaugen. Eine kompakte Struktur wäre dazu nicht in der Lage. Daher enthalten Tampons immer auch Sauerstoff.

Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn Tampons mit starker Saugfähigkeit genutzt werden. Hier gilt: Je saugfähiger ein Tampon ist, umso mehr Sauerstoff wird zugefügt. Und die Toxinproduktion somit noch zusätzlich gesteigert (wenn ein toxinbildender S. aureus vorhanden ist).

Weitere Faktoren, die die Toxinproduktion fördern

Die Bildung von TSST durch S. aureus ist ein vielschichtiger Prozess, in dem Sauerstoff und der pH-Wert eine wichtige Rolle spielen.

Darüber hinaus gibt es noch weitere, wichtige Aspekte, die zum Gesamtgeschehen beitragen. Für Bakterien (und auch die Toxinproduktion) sind gewissen Bedingungen erforderlich. Im Falle von S. aureus zählt dazu auch eine Temperatur von 37 °C.

TSS tritt bei Frauen auf, die sich mit S. aureus infizieren und die zusätzlich keine Antikörper aufweisen. Der Körper musste sich also noch nicht mit S. aureus auseinandersetzen und sieht den Erreger zum ersten Mal. Erste Infektionen sind meist schlimmer als nachfolgende, da Antikörper erst mit einer Verzögerung vom Körper gebildet werden.

TSST-Produktion und Faktoren, die die Bildung begünstigen

Kann TSS auch bei anderen Menstruationsartikeln auftreten?

Um es kurz zu machen: Ja, TSS wurde auch in Verbindung mit anderen Menstruationsartikeln, wie etwa Menstruationstassen (Cups) oder Menstruationsschwämmchen, beobachtet. Für beide Artikel gibt es beschriebene TSS-Fälle, auch wenn die Fälle im Vergleich zur Tamponnutzung geringer sind.

Das liegt vermutlich aber eher daran, dass die Anzahl der Tamponnutzerinnen um ein Vielfaches höher ist und Menstruationstassen erst in den letzten Jahren stark an Popularität gewinnen.

Bei meiner Literaturrecherche bin ich auf keine Fälle von TSS gestoßen, die mit der Nutzung von Binden oder Menstruationsunterwäsche in Verbindung gebracht wurden. Bei TSS ist das Einbringen von Bakterien und Sauerstoff in die Scheide scheinbar der ausschlaggebende Punkt, und diese sind bei diesen Menstruationsartikeln vernachlässigbar.

Durch die verstärkte Nutzung von Menstruationstassen in den letzten Jahren gibt es Studien, die untersuchen, ob diese ggf. vor TSS schützen können. Hier ist besonders die Studie von Nonfoux und Kollegen zu nennen, die Menstruationstassen und die Bildung von TSST untersuchten.

Sie kommen zu dem Entschluss, dass Menstruationstassen nicht sicherer als Tampons sind.

Wenn du mehr über diese wissenschaftliche Veröffentlichung erfahren möchtest, dann kann ich dir den Blogbeitrag “Menstruationstassen und TSS” ans Herz legen. Hier gehen wir Schritt für Schritt durch die Publikation und klären die Ergebnisse der Untersuchung.

Durch die Cups wird mitunter sogar eine größere Menge an Sauerstoff in die Scheide eingebracht. Diese Sauerstoffmenge beeinflusst die Toxinbildung mehr als zum Beispiel die Zusammensetzung des Cups.

Was DU tun kannst, um TSS durch Tampons/Cups zu verringern

  • Trage deine Tampons/Cups möglichst über kurze Zeit, d.h. wechsle sie häufiger
  • nutze kleine Cups und Tampons mit geringerer Saugfähigkeit
  • bei Cups: verwende zwei Cups und koche sie nach einmaligen Tragen aus – intensives Waschen mit Wasser allein reicht nicht aus, um die Bakterien zuverlässig zu entfernen
  • nutze keine Intimseifen, da der pH-Wert dadurch zusätzlich noch in neutrale verschoben wird oder die Schleimhäute gereizt werden (auch “Unterbodenwäschen” sind nicht notwendig)

Was zu TSS festzuhalten ist

  • TSS, das Toxische Schock Syndrom, ist eine lebensbedrohliche Erkrankung
  • Symptome: sehr hohes Fieber, geringer Blutdruck, Hautausschlag mit anschließender Schuppung; teilweise wurden auch Funktionsstörungen mehrerer Organe beobachtet
  • betrifft nicht nur Frauen während ihrer Tage, sondern auch Kinder, Ältere, Männer und Frauen ohne Menstruation
  • wichtig für die Ausbildung von TSS ist eine Infektion mit S. aureus, der in der Lage ist, das Toxische Shock Syndrom Toxin (TSST) zu produzieren
  • etwa 25 % der Bevölkerung sind mit S. aureus besiedelt; von diesen S. aureus bilden etwa 1 – 6 % TSST
  • für die Bildung von TSST sind folgende Faktoren wichtig (eine Auswahl): neutraler pH-Wert, 37 °C, Sauerstoff, keine vorhandene Antikörper im menschlichen Körper
  • bei Verwendung von Menstruationsartikeln beeinflussen folgende Dinge die Toxinproduktion (wenn S. aureus vorhanden): stark saugfähige Tampons und große Cups

Auch wenn dieses Erkrankung längst keine weit verbreitete ist und viele Frauen (und auch Männer) damit vielleicht nie in Berührung kommen werden, ist es eine ernst zu nehmende Erkrankung. Zu wissen, was das Toxische Schocksyndrom ist, wie es entsteht und was du tun kannst, um das Risiko zu verringern, ist schon sehr viel wert.

Da gerade in den letzten Jahren die Menstruationstassen zunehmend an Bedeutung während der Menstruation gewinnen, wird es im nächsten Blogbeitrag um genau diese Thematik gehen: Wie schneiden Menstruationstassen im Vergleich zu Tampons hinsichtlich der Toxinbildung ab?

Bis dahin und wie immer: Sind Fragen aufgetaucht? Dann ab damit in die Kommentare 🙂

Alles Liebe
Isabell

Literatur:

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