Zuletzt aktualisiert am 23. Mai 2024 von Isabell
Nicht-übertragbare Krankheiten wie Diabetes Typ II, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rheuma nehmen in den letzten Jahren vor allem in den westlichen Ländern stark zu. Warum beobachten wir diesen Trend vor allem in unseren Breitengraden?
Kann es sein, dass unsere Ernährung und Lebensstil einen erheblichen Anteil daran trägt, dass wir uns mit diesen Krankheiten konfrontiert sehen? Neueste Untersuchungen konnten bereits eine Verbindung zwischen Ernährung und unserem Mikrobiom finden.
Was aber können wir machen, um unsere Darmflora zu pflegen? Können wir eine gesunde Darmflora aufbauen oder stärken?
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe “Im Fokus – Mikrobiom“. In zwei Themenmonaten werden wir wichtige und interessante Bereiche betrachten, die unsere Darmflora betreffen. Was können wir machen, damit sie vielfältig ist? Welche Funktion hat unsere Darmflora überhaupt?
Bisher sind im Rahmen des Themenmonats erschienen:
- Übersichtsartikel: Deine faszinierende Darmflora
- Die 5 unsichtbaren und nützlichen Aufgaben deiner Darmflora
- Superstars der Darmbakterien – 5 „aufstrebende“ Helden
- Metabolite des Mikrobioms – Wie Bakterien deine Gesundheit beeinflussen
- Veränderungen des Mikrobioms im Laufes unseres Lebens
- 5 Arten, die dein vielfältiges Mikrobiom beeinflussen
Table of Contents
Unsere Darmflora – was wir bisher wissen
Mittlerweile haben wir schon einiges Interessantes über unser Mikrobiom erfahren. Hast du dich schon durch alle bisherigen Beiträge gelesen (siehe oben) und hast noch alles im Blick?
Damit wir verstehen, welche Auswirkung unsere Ernährung auf unser Mikrobiom haben kann, kommt hier eine knackige Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Beiträge. Verlieren wir nicht die wichtigen Informationen, damit wir unsere Darmflora aufbauen können.
Unsere westliche Ernährung ist durch viel Fett, Zucker und tierische Proteine sowie Fette geprägt
Westliche Ernährung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Es scheint gar nicht so unüblich, dass besonders Bewohner westlicher Kulturen mit diesen Erkrankungen zu kämpfen haben.
Laut aktuellem Report der Weltgesundheitsorganisation WHO sind etwa jedes dritte Schulkind, jeder vierte Erwachsene und etwa 60 % der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig oder fettleibig. Übergewicht und Fettleibigkeit erhöht das Risiko für nicht-übertragbare Krankheiten.
Was an unserer Ernährung fördert also dieses Risiko?
Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst Übergewicht
Die westliche Ernährung ist vor allem durch viel Fett, Zucker, tierische Proteine und Fette sowie gesättigten Fettsäuren geprägt. Dazu kommt, dass weniger Ballaststoffe durch einen geringen Verzehr von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten aufgenommen werden.
Gerade durch die geringe Menge an Ballaststoffen werden Bakterien der Gattung Bacteroides gefördert. Eigentlich gehören sie genauso wie die Firmicuten zu den guten Bakterien der Darmflora. Das Problem ist aber, dass dieses Ungleichgewicht der Bakterien viel eher chronische, unterschwellige Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht fördert.
Durch die westliche Ernährungsweise fehlen vor allem Ballaststoffe. Als Folge werden weniger von den nützlichen SCFA gebildet und die Bildung von TMAO erhöht.
Wir erinnern uns: SCFA waren besonders durch ihre entzündungshemmenden Eigenschaften hilfreich. Sie unterstützen die Darmbewegung und fördern zudem die Bildung unsere „Gute-Laune-Hormons“ Serotonin.
TMAO (Tri-Methylamin-Oxid) entsteht aus der Aminosäure L-Carnitin, das wir bevorzugt über Fleisch zu uns nehmen. Die „falschen“ Bakterien können die Zwischenstufe TMA, die aus L-Carnitin entsteht, im Darm dann zu TMAO umwandeln.
Erhöhte TMAO-Werte können dann wiederum zu Erkrankungen wie Nierenversagen, Diabetes Typ II, Arteriosklerose oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Die westliche Ernährung führt zur einer geschwächten Darmbarriere
Damit unsere Darmflora gesund ist oder wir die Darmflora aufbauen können, braucht es einerseits Ballaststoffe und andererseits die guten Darmbakterien, die durch ihre Arbeit beispielsweise und Darmbarrierefunktion aufrechterhalten. Sind diese Bakterien nicht vorhanden, weil durch die Ernährung kaum Ballaststoffe aufgenommen werden, so wird unsere Darmschleimhaut nicht ausreichend gepflegt.
Die Folge: Die Darmschleimhaut wird durchlässiger für schädliche Bakterien und zugänglicher für die Lipopolysaccharidschicht (LPS) gramnegativer Bakterien. Diese Schädigung kann zu chronischen Entzündungen der Darmschleimhaut führen.
Die Darmflora aufbauen: die mediterrane Ernährung
Da Herzkreislauferkrankungen und Übergewicht scheinbar eng mit der Ernährungsweise verbunden sind, haben Forscher:innen sich in den letzten Jahren genauer die Unterschiede verschiedener Ernährungsweisen angeschaut und untersucht.
Bewohner anderer Länder, beispielsweise des mediterranen Raumes oder Japan (wo es viele über 100-Jährige gibt!), sind viel seltener von dieses Volkskrankheiten betroffen. Warum?
Der Schlüssel scheint in ihrer Ernährung zu liegen, denn sie ist reich an Gemüse, Früchten, Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten. Im Gegensatz zur westlichen Ernährung sind hier die ungesättigten Fettsäuren stark vertreten, die wir durch pflanzliche Fette bekommen.
Viel weniger werden dagegen Fisch, Fleisch, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Milchprodukte konsumiert. Diese Ernährung, die besonders reich an Ballaststoffen ist, fördert bei den Menschen eine besonders hohe Vielfalt und Menge der guten Darmbakterien des Mikrobioms.
Folglich werden mehr SCFA gebildet, wodurch die guten Bakterien sich verstärkt entwickeln und den pH-Wert senken. Dieser niedrige pH-Wert ist eine äußerst unattraktive Umgebung für pathogene Bakterien. Auch die entzündungsfördernden Zytokine werden zurückgedrängt.
Pflanzliche Proteine fördern die bakterielle Vielfalt
Mittlerweile haben sich einige Studien mit den Lebensmitteln dieser Ernährung beschäftigt und untersucht, inwiefern die Bakterien der Darmflora verändert werden. Es zeigte sich, dass die mediterrane Ernährung besonders Prevotella fördert.
Andere Bakterien, wie Lactobacillus und Bifidobacterium finden etwa in Weizen- und Erbsenprotein eine perfekte Nahrungsgrundlage.
Ist das Mikrobiom der westlichen Ernährung verloren?
Oft ist es Unwissenheit, dass unsere Ernährung einen so großen Einfluss auf die Bakterien in unserem Darm haben kann. Der Grundstein einer bewussten und gesunden Ernährung wird bereits im Kindesalter gelegt. Spielte die gesunde Ernährung hier kaum eine Rolle, muss viel Arbeit später durch den Erwachsenen erfolgen, indem er sich damit auseinandersetzt und Gewohnheiten über Bord wirft.
Wir haben aber auch gesehen, dass noch ganz andere Faktoren ihren Beitrag zur Entwicklung unserer Darmflora leisten. So sind unsere Gene, durchgemachte Infektionen und Behandlungen mit Medikamenten und Antibiotika keinesfalls zu vernachlässigen!
Ist das Mikrobiom also, das wir einmal verkorkst haben, für immer verloren?
Forscher:innen sagen: Nein! Studien mit Probanden mit westlicher Ernährungsweise, die sich über ein Jahr nach Paleo ernährt haben, zeigten, dass das Mikrobiom dieser Proband:innen wieder zu einer größeren Vielfalt rehabilitiert werden konnte!
Die gesunde Darmflora aufbauen – durchaus möglich
Der Schlüssel zu einer langfristigen und stabilen Änderung der Mikrobiom-Zusammensetzung liegt aber in der Konsistenz der Ernährungsumstellung.
Veränderungen des Mikrobioms, die sich durch die westliche Ernährungsweise ergeben, sind schnell und nachhaltig im Mikrobiom umgesetzt. Das „Zurücksetzen“ der Darmflora hingegen ist ein langer Prozess. Das heißt: Ernährung umstellen und dabei bleiben, denn es wird definitiv ein Marathon werden!
Darmflora aufbauen mit Prä- und Probiotika
Zunächst einmal muss gesagt werden, dass sich die Darmflora im gewissen Maße selbst regenerieren kann, sofern die geeigneten Weichen gestellt werden.
Es gibt aber Situationen, da kann es sinnvoll sein, die Darmflora mithilfe von „außen“ aufzubauen, und zwar mit Prä- und Probiotika. Diese können das Gleichgewicht der Darmflora aufbauen oder wieder (unterstützend) herstellen.
Die Wirkung dieser Maßnahmen ist dabei aber sehr individuell und unterscheidet sich je nach Anwender. Denn das Mikrobiom wird durch viele Faktoren (unterschiedlich) beeinflusst und modelliert.
Was aber sind Präbiotika, Probiotika und Synbiotika?
Probiotika = lebende, gute Bakterien
Offiziell werden Probiotika als “lebende Mikroorganismen, die in geeigneter Menge die Gesundheit fördern” beschrieben.
Dabei handelt es sich um lebende Bakterien, von denen keine Gefahr ausgeht, die also keine Infektionskrankheiten auslösen. Sie werden lediglich wegen ihrer gesundheitsfördernden Eigenschaften genutzt.
Probiotika gibt es in unterschiedlichen Arten, sei es als Pulver, Getränk oder Kapseln. Und auch die Zusammensetzung der Probiotika, also aus welchen, wie vielen verschiedenen und wie vielen Bakterien das Produkt besteht, kann sich zwischen den auf dem Markt erhältlichen Produkten erheblich unterscheiden.
Wichtig ist, dass diese Bakterien den sauren Mageninhalt überstehen müssen, ohne kaputtzugehen. Sie müssen, wenn sie im Darm ankommen, noch so lang überlebensfähig und aktiv sein, dass eine gesunde Darmflora aufgebaut werden kann.
Sobald es sich diese guten Bakterien in unserem Darm gemütlich gemacht haben, wird das Immunsystem aktiviert, indem die Bildung von Antikörper unterstützt wird, die Zytokinprofile angepasst werden und die Reaktion des Immunsystems auf Lebensmittelallergene herabgesetzt werden.
Darüber hinaus starten die Bakterien damit, unsere Verdauung zu unterstützen, indem Ballaststoffe verwertet werden und die Darmbewegung angeregt wird. Sie senken den pH-Wert und machen krankmachenden Bakterien das Leben schwer.
Präbiotika = Futter für die Probiotika
Unter Präbiotika verstehen wir unverdauliche Substanzen, die das Wachstum der guten Darmbakterien wie Bifidobacterium oder Lactobacillus fördern. Diese Präbiotika sind das Futter für die guten Bakterien, also quasi das, was wir durch Obst und Gemüse zu uns nehmen würden.
Kommerziell erwerbliche Präbiotika bestehen aus Frukto-Oligosacchariden (FOS), Galakto-Oligosacchariden (GOS) oder Laktulose. Auch hier unterscheidet sich die Zusammensetzung je nach Hersteller.
Das „All-in-one Paket“ gibt es mittlerweile auch. Das ist dann eine Kombination aus Probiotika (gute Bakterien) + Präbiotika (Futter für die guten Bakterien) in einem Produkt. Diese Produkte werden dann Synbiotika genannt.
Und darüber hinaus?
Gibt es noch andere Aspekte, die bei der Ernährung und unserer Darmflora beachtet werden kann?
Die Darmflora aufbauen mit…
Mittlerweile wurden bei den vielen Studien auch Nahrungsstoffe oder Ernährungsgewohnheiten entdeckt bzw. untersucht, die einen positiven Einfluss auf unser Mikrobiom ausüben. Dazu zählen
- Polyphenole, wie z.B. Tannine
Tannine (pflanzliche Gerbstoffe), eine Gruppe der Polyphenole, haben entzündungshemmende, krebs-schützende und Diabetes-senkende Eigenschaften. Polyphenole sind sekundäre Pflanzenmetabolite, die Pflanzen normalerweise zu ihrem eigenen Schutz bilden. Sie sind für uns Menschen nicht zugänglich, aber Bakterien bilden daraus SCFA. Sie steigern die Zahl von Bifidobacterium, Lactobacillus und Faecalibacterium prausnitzii. Lebensmittel, die Tannine enthalten, sind viele Obstsorten, grüner und schwarzer Tee (yes!), Kakao, Rotwein und auch Bier. - Mikronährstoffe
Einige Vitamine, wie Vitamin K oder A, und Zink sind nicht nur für uns, sondern auch für unseren guten Darmbakterien und ihr Überleben wichtig. Achten wir auf eine ausreichende Zufuhr, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. - Fasten
Verschiedene Formen des Fastens, seien es längere Fastenintervalle oder die 16:8-Fastenzeit, steigern die Vielfalt des Mikrobioms. Denn während der (langen) Zeit des Nicht-Essens steigt die Menge an Firmicuten. Andere Phyla werden gleichzeitig verringert. Die liebe Johanna Nelkner (Mikrobiomforscherin) hat sich diese Frage letztens bei einem Feierabend-Bier mit einem Kollegen gestellt: zu ihrem Beitrag gehts hier entlang
Die Darmflora schädigen…
Ich komme noch mit anderen, für unsere Darmflora schädlichen Dingen daher. Es gibt echt ne Menge davon!
- Zucker
Starker Zuckerkonsum steht im Verdacht, zu einer geringeren bakteriellen Vielfalt im Darm zu führen. Durch Zucker werden vor allem krankmachende Bakterien wie Clostridoides difficile gefördert. Außerdem hat Candida albicans eine viel bessere Chance, sich auszubreiten. Und wer hat schon Lust auf Pilzinfektionen und Darmerkrankungen? - Süßungsmittel
Eigentlich als sinnvolle Alternative zu Zucker gedacht, zeigen sich immer mehr die negativen Seiten des Zuckeraustauschstoffes. Die Einnahme führt zu einer Verschiebung des Mikrobioms, da Bacteroides gefördert und Firmicuten zurückgedrängt werden.
Darmflora aufbauen? Versuchs mal damit
- Die westliche Ernährungsweise fördert ein Ungleichgewicht unserer Darmflora, wodurch es zu chronischen Entzündungen im Darm, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen kann
- eine Veränderung der Ernährung kann das Mikrobiom positiv beeinflussen; förderlich ist beispielsweise die mediterrane Ernährungsweise mit viel Obst und Gemüse, Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren
- die Darmflora aufbauen ist möglich – durch Änderung der Ernährung kann das Mikrobiom viel aus eigener Kraft schaffen; nach einer langen Antibiotika- oder Medikamenteneinnahme kann es sinnvoll sein, auf Probiotika zurückzugreifen, um die Darmflora zu unterstützen
- Zucker und Süßungsmittel reduzieren, dass sie ein Ungleichgewicht unserer Darmflora bewirken
- mehr von Polyphenolen, auf die Vitaminversorgung achten und ggf. Fasten einbauen – all das unterstützt unser Mikrobiom
- auch hier gilt: Was bei dem Einen Wunder wirkt, kann bei jemand Anderem (fast) wirkungslos sein, denn das Mikrobiom ist einer Vielzahl äußerer Einflüsse und unserer Gene ausgesetzt
DU bist dran 🙂
Bereit für eine kleine Challenge?
Wie wäre es, wenn du in der nächsten Woche z.B. über den Wochenmarkt schlenderst und bewusst mehr Obst und Gemüse in deinen Alltag integrierst? Weniger Süßkram, mehr Gemüse – auch für mich nicht einfach. Machen wir einen Deal? Wir können das gern gemeinsam durchziehen – schreib also gern in die Kommentare, wenn du mit dabei bist 🙂
Dieser Beitrag bildet den Abschluss des ersten Teils zum Thema Mikrobiom. Ab November 2022 gehts dann mit dem zweiten Teil weiter, wo wir noch tiefer in Erkrankungen einsteigen, die durch ein Ungleichgewicht der Darmflora hervorgerufen werden. Wir schauen uns aber auch an, was Bakterien mit unserer Stimmung zu tun haben und wie sich das Mikrobiom während einer Schwangerschaft ändert.
Bis dahin und alles Liebe
Isabell